Unbegrenzte Energie?

Diese Entdeckung war für Benjamin schon fast zu gut um wahr zu sein. Deshalb liess er Lori immer kompliziertere Modelle ausarbeiten mit Einbezug immer mehr variablen. Das Ergebnis war immer das Gleiche. Man benötigte eine bestimmte Menge an Energie, um den Rotor auf eine bestimmte Drehzahl zu bringen. Ab eben jener Drehzahl, produzierte der Generator mehr Energie, als er zur Aufrechterhaltung der Rotation benötigte. Man konnte die externe Energie also entfernen und der Generator lief munter weiter. Nicht nur das! Dadurch, dass er mehr Energie produzierte, steigerte sich auch die Drehzahl. Dadurch wurde noch mehr Energie produziert, die man schliesslich abgreifen konnte. Dabei musste man lediglich darauf achten, dass die Drehzahl nie unter den Wert sank, bei welchem nicht mehr genug Energie produziert wurde. Ansonsten starb die Rotation ab und der Generator war aus.

Schnell war Benjamin die Tragweite ihrer Entdeckung bewusst. Ein Generator dieser Art so skaliert, um Lori die gleiche Spannung zu spendieren, wie sie jetzt aus seinen Akkus kam und er wäre selbst bei maximaler Geschwindigkeit theoretisch unbegrenzt lauffähig.

Lori hatte dafür auch schon ein entsprechendes System entwickelt. Anstelle der Akkus könnte man einen Kondensator einsetzen. Dieser müsste die richtige Spannung bei Bedarf liefern und würde vom Generator aufgeladen werden. Rein rechnerisch hätte der Lori damit unbegrenzte Reichweite gehabt und es war genug Platz in ihm, um einen solchen Generator unterbringen zu können.

Doch für Lori war das noch nicht genug. Auch wenn Benjamin das Gefühl hatte, Lori wäre der Gedanke nach einer solchen Energiequelle durchaus angenehm, schien der noch weiter zu denken. Er, genau wie der Lion, hatten ja auch Kontakt zu allen anderen künstlichen Intelligenzen, welche Mario geschaffen hatte. Also auch zu diesem Superflugzeug. Sofort fing Lori an zu rechnen. Alle Werte hatte er vom Flugzeug übermittelt bekommen und das Ergebnis war eindeutig. Es war ganz problemlos möglich, die überaus starten Triebwerke der Maschine durch Pendants mit Elektroantrieb zu ersetzen. Technisch bedurfte es dafür ja nicht mehr, als ein Elektromotor, welcher den Fan auf die gleiche Drehzahl bringen konnte, wie eben die Triebwerke. Damit würden aber die Nachbrenner wegfallen.

Auch für dieses Problem konnte Lori eine Lösung berechnen. Der Antrieb musste einfach stärker ausfallen, so dass der Fan noch mehr Drehzahl bekam. Ob die Maschine dann auf die gleiche Geschwindigkeit kommen würde, war aus seinem Modell zwar so nicht ersichtlich, aber annähernd so schnell musste möglich sein. Mit zwei gravierenden Unterschieden. Erstens, die Maschine würde um ein vielfaches leiser werden. Zweitens, sie könnte mit maximaler Geschwindigkeit unbegrenzt um die Erde fliegen.

Benjamin verstand das allerdings nicht so ganz. Er hatte zwar von einem Flugzeug gehört, aber gesehen hatte er es noch nie. Aus diesem Grund hatte er auch keinerlei Ahnung davon, was sie da gerade entwickelt hatten und wie das die Möglichkeiten der Freunde verbessern würde.

Ein paar Tage gingen ins Land, in denen Benjamin Lori zu immer komplexeren Formeln verhalf, um die ganze Theorie nicht detaillierter berechnen zu können. Dann war allerdings klar, wenn nicht unvorhersehbare Kräfte existierten, würde dieser Generator funktionieren.

Benjamin wartete einen günstigen Moment ab, um Waldemar zu einem Ausflug nach Neuburg zu Mario zu überreden. Genau genommen musste er ihn dazu nicht gross überreden. Waldemar freute sich immer über einen Grund, seinen Freund zu besuchen. Es musste nur zeitlich passen.

Mit Mario hatte Benjamin schnell einen geheimen Termin ausgemacht. Dabei wollten sie sich in einem der Gebäude auf der Rennstrecke treffen. Unter der Woche war dort quasi nie jemand, also konnten sie im Geheimen beraten. Allerdings hatten weder Waldemar, noch Mario eine Ahnung davon, was Benjamin überhaupt wollte. Lori hingegen wusste genau, um was es gibt. Er wollte aber aus der ganzen Sache herausgehalten werden. Seiner Meinung nach neigte Mario zu Übertreibungen, wenn seine KI wieder etwas tat, was sie eigentlich nicht hätte tun dürften.

Von daher trafen sich nur die drei Freunde und Benjamin wurde sehr schnell mit neugierigen Blicken bedacht. Also fing er an zu erzählen.

»Leute, ich habe, glaube ich, etwas bahnbrechendes entdeckt. Stellt euch vor, ein Generator, welcher keine externe Kraftquelle braucht und theoretisch ewig Energie liefert!«

Waldemar schüttelte den Kopf. Er hatte auch die richtige Bezeichnung dafür im Kopf.

»Mein lieber Freund Benjamin. Was du da sagst, deutet auf ein Perpetuum Mobile hin und wie wir wissen, ist so etwas unmöglich!«

»Da muss ich Waldi Recht geben Ben. Du kannst Energie weder herstellen, noch vernichten. Nur umwandeln. Ergo kannst du aus einer Maschine ohne Arbeit nichts herausholen.«

Benjamin lächelte, denn genau damit hatte er gerechnet. Aus diesem Grund hatte er auch zwei Ausdrucke angefertigt, welche seine Theorie mit sehr komplizierten, mathematischen Formeln beschrieb. Er übergab diese Ausdrucke und die Beiden fingen an interessiert zu lesen. Fast eine Stunde dauerte es, bis Waldemar schliesslich wieder Worte fand.

»Wenn ich der Wahrheit die Ehre geben darf, niemals hätte ich dir eine derart komplexe, mathematische Formulierung von dir erwartet. Zugeben muss ich auch, einige Punkte werde ich noch eingehender studieren müssen, da sie sich mir noch nicht wirklich erschliessen. Doch schliesslich kann ich mich dem Schluss nicht erwehren, es könnte funktionieren!«

Mario klappte die zusammengehefteten Blätter wieder zusammen.

»Ich muss da Waldi zustimmen. Ich verstehe auch nicht alles von diesen Formeln. Trotzdem bin ich vorsichtig optimistisch.«

Benjamin fühlte sich wie ein Sieger.

»Fantastisch. Euch ist hoffentlich klar, was wir hier für eine Entdeckung haben?«

»Natürlich! Kostenloser, theoretisch unbegrenzter Strom.«

Waldemar nickte.

»Insofern wir einen Weg finden, die Theorie in die Praxis umzusetzen und beispielsweise im Lori zu testen, dann …«

Eine Stimme unterbrach ihn.

»Nicht im Lori. Baut was eigenes für die Tests!«

Erschrockene Blicke suchten die Quelle dieser Stimme. Eigentlich hätte es den Freunden aber klar sein müssen. Natürlich stand da Pascal. Die Arme verschränkt lehnte er in einem Türrahmen.

»Wieso etwas eigenes?«

Fragte Mario, der solche Schocks mittlerweile so gewohnt war, um sich schnell damit arrangieren zu können.

»Ganz einfach. Diese Entdeckung hat eine Macht, die ihr euch nicht vorstellen könnt. Ein funktionierende Generator wäre das Aus für jegliche Form der aktuellen Energiegewinnung. So ein Generator könnte man in jedes Haus, jedes Auto, jedes Flugzeug stecken und hätte nie wieder Energieprobleme. Man kann damit heizen, fahren, fliegen, kühlen, quasi alles. Doch jeglicher Energieversorger wäre schlagartig arbeitslos. Windkraftanlagen wären sinnlos. Kohlekraftwerke, Verbrennungskraftwerke. Selbst Atomkraftwerke. Öl würde schlagartig seinen Wert verlieren, ausser als Schmiermittel vielleicht. Stellt euch die Konsequenzen mal vor. Alle Tankstellen wären sinnlos. Die ganzen Stromleitungen überall. Die Windräder. Man müsste keine Treibstoff mehr transportieren, keinen mehr erzeugen. Es würde keinen Sinn mehr machen, Öl aus dem Boden zu pumpen. Alle Kraftwerke wären überflüssig. Könnt ihr euch vorstellen, welche Nachwirkungen ein solcher Generator hätte? Wie viele Menschen auf einen Schlag arbeitslos wären? Wie viel Infrastruktur auf einmal unsinnig wäre?«

Benjamin zog eine Augenbraue hoch.

»Ja und?«

Waldemar wusste, worauf Pascal hinauswollte.

»Man würde dafür sorgen, dass wir unser Generator niemals irgendwo zeigen könnten. Mundtot würde man uns machen, oder gleich ganz tot.«

»Korrekt Waldi. Treibt diese Entdeckung gerne zur Serienreife. Aber nicht im Lori. Es gibt zu viele Leute, die bestens über dieses Auto Bescheid wissen und merken würden, wenn da etwas im Busch ist. Holt euch ein Auto vom Schrott, baut das auf und experimentiert damit. Wenn ihr dann die Technik im Griff habt, könnt ihr sie auch in den Lori einbauen und Viper hat da garantiert auch Interesse dran. Dann das Flugzeug. Ben, du hast da vollkommen Recht. Das wird der Superknüller. Aber eben, erst dann, wenn ihr die Technik wirklich im Griff habt. Alles bleibt geheim, sonst gehen die Probleme richtig übel los.«

Die Drei nickten.

»Aber noch ein Auto aufbauen? Langsam hat der Tag nicht mehr genug Stunden!«

Pascal lachte.

»Das ist der Preis Mario. Leb damit!«

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