Ein ungeahntes Wochenende (Teil 15)

Der Abend ging unbeirrt weiter. Manches Rennen war beeindruckend spannend, manches war von vorne herein eher witzlos. So forderte eine der weiblichen Fahrer Rebekka heraus. Ein kleiner, fast nur optisch modifizierter Ronda gegen den kaum zu bezwingenden Lion. Das Rennen war derart unfair, dass Rebekka nicht einmal auf genaue Schaltzeiten achten musste. Viper meinte spöttisch dazu, eigentlich würde es reichen, wenn Rebekka das Ding im zweiten Ganz durchfahren würde und er schien damit nicht einmal so falsch gelegen zu haben. Schon kurz nach dem Start hatte Rebekka viel Vorsprung und nach jedem Schalten wurde der immer grösser und grösser.

Als das Rennen dann schliesslich beendet war und beide Fahrzeuge sich wieder am Start befanden, sprang Rebekkas Kontrahent jedoch jubelnd und offensichtlich überglücklich aus dem Auto und jubelte, als hätte sie das Rennen gewonnen. Das dabei nicht nur Rebekka verwundert war, sollte niemand überraschen. Sie ging zu ihr hin.

»Du weisst schon, dass du verloren hast, oder?«

Sie schaute Rebekka jedoch nur mit einem Glück in den Augen an, dass die gar nichts mehr verstand. Schliesslich sprang sie ihr sogar um den Hals.

»Ja, weiss ich. Aber ich träume seit Monaten davon, einmal gegen dich ein Rennen zu fahren. Mir doch egal, ob ich gewinne. Hauptsache, ich bin mit dir gefahren!«

Auch wenn sie Rebekkas erschlagenen Blick nicht sehen konnte, die verstand überhaupt nichts mir, legte aber schliesslich auch ihre Arme um sie.

»Moment. Du legst das Preisgeld auf den Tisch, nur um einmal gegen mich zu fahren?«

»Ja. Hab lange dafür sparen müssen. Aber es war es wert!«

Rebekka konnte das gar nicht glauben! Es bedurfte mittlerweile schon eine guten Stange Geld, den Lion fordern zu können und sie hatte es ohne jegliche Chance auf Sieg getan, nur um gegen sie fahren zu können? Das beeindruckte Rebekka zutiefst. Sie liess ihre Arme wieder sinken und schob die junge Dame ein wenig von sich weg.

»Mario, anrücken!«

Rief sie laut genug, dass Mario sie hören konnte. Normalerweise verlief das ja anders. Eigentlich gingen die Sieger hinterher zu Mario und kassierten dort das Preisgeld. Rebekka hatte aber einen Grund, warum sie Mario zu sich rief. In aller Regel merkte niemand, was da am Kommandostand passierte. Rebekka wollte aber, dass die Zuschauer das sehen konnten.

»Ja, ja, ich weiss. Eigentlich sollte ich keine so ungleichen Rennen genehmigen. Sie war aber echt hartnäckig.«

»Schon gut. Hast du mein Preisgeld?«

Natürlich hatte Mario das. Während der vielen Wochenenden, die hier gefahren wurde, gab es nie ein Problem mit dem Preisgeld. Mario war da gewohnt sorgfältig. Also überreichte er Rebekka ein mit Gummiband verschnürtes Bündel Geldscheine.

»Mein Einsatz auch bitte.«

Mario hob eine Augenbraue, gab ihr dann jedoch das Geld. Da es ja quasi ihre Veranstaltung war, musste sie ihren Teil nicht extra zu Mario bringen. Der hatte immer einen ausreichenden Vorrat dabei, wenn die Mädels an den Start gingen.

Aus dem Bündel fischte Rebekka schliesslich einen einzelnen Schein. Ohne hinzuschauen zog sie einen von Marios Stiften aus der Brusttasche und fing an etwas auf den Schein zu schreiben. Dann drückte sie dem Mädel das ganze Geld in die Hand.

»Wer das alles auf sich nimmt, nur um gegen mich zu fahren, der hat auch eine Belohnung verdient.«

Die Kleine schaute wie ein Busblinker. Sie wollte doch nur gegen Rebekka antreten, hatte selbstverständlich gnadenlos verloren und jetzt trotzdem diesen Haufen Geld in der Hand? Sie las, was Rebekka geschrieben hatte.

»Danke für das tolle Rennen! Rebekka«

Bei ihr brachen die Dämme und schon hing sie wieder an Rebekkas Hals. Das wiederum löste massiven Jubel unter den Zuschauern aus, während Mario nur den Kopf schüttelte.

Da der Abend aber weitergehen musste, trennte sie sich schliesslich wieder von Rebekka und fuhr voller Stolz ihren Kleinwagen zurück auf den Parkplatz. Rebekka tat es ihr gleich, wurde dann aber sofort von Mario über Funk zum Kommandostand zitiert. Als sie dort ankam, war ihr Freund ganz offensichtlich überhaupt nicht glücklich und auch Waldemar hatte einen missbilligenden Blick aufgesetzt.

»Was gibts denn?«

»Rebekka, ganz ehrlich. Auch wenn ich deine Tat durchaus zu schätzen weiss, du hättest sie nicht so öffentlich machen dürfen!«

»Da muss ich meinem Freund zustimmen. Auch wenn ich offiziell ja kein Mitspracherecht besitze, dieses Vorgehen war tollkühn!«

»Habt ihr saure Milch getrunken, oder wo liegt euer Problem?«

»Ganz einfach Rebekka! Das war ein offizielles Rennen. Sie hatte von Anfang an keine Chance und ich habe die ersten gefühlt 100 Anfragen von ihr auch abgelehnt. Irgendwann hat es mich dann aber so genervt, dass ich zugestimmt habe. Was denkst du denn, was ab jetzt los ist? Jetzt kommt jeder Fritz und jede Fitzine hier an, fordert euch und erwartet, bei einer Niederlage trotzdem die Kohle zu bekommen.«

»Quatsch, ich hab nur eine Ausnahme gemacht!«

Waldemar schüttelte den Kopf.

»Die Mentalität der Menschen ist jedoch leider so gestrickt, dass nun viele Nachahmer auf diese Weise an Geld kommen möchten. Nun gut, Mario kann von nun ab wirklich kategorisch alle ähnlich ungleichen Fahrzeuge ausschliessen. Doch beraubst du einem anderen Fahrer, mit ähnlichen Intentionen, die Chance, gegen dich fahren zu können und ihren Wunsch zu erfüllen.«

Rebekka dachte nach. Tatsächlich hatte sie diese Möglichkeit überhaupt nicht auf dem Schirm.

Genau in dem Moment kam Maia zu den Drei.

»Was habt ihr da denn für ein Problem? Der ganze Abend ist doch eh in verschiedene Kategorien unterteilt. Führt doch an einem Abend eine neue Kategorie ein, wo Fahrer, die unbedingt mal gegen euch antreten wollen, auch wenn sie überhaupt keine Chance haben, einfach gegen euch ohne Wertung fahren können und ohne Preisgeld. Während der normalen Rennen gibt es eben keine so unfairen Rennen mehr.«

Rebekka, Mario und Waldemar schauten überrascht zu Maia.

»Das klingt eigentlich ganz gut. War meinst du Rebekka?«

Die reagierte aber nicht direkt auf Mario, sondern sprach in den Funk.

»Was haltet ihr davon, wenn wir an einem Abend ein Stündchen einführen, wo jeder gegen uns fahren kann. Ohne Wertung und ohne Preisgeld. Eben für die, die einfach nur den Wunsch haben, einmal gegen uns zu fahren.«

Eigentlich war die Frage überflüssig. Rebekka wusste genau, dass Janine und Amy damit einverstanden waren und so kam es auch.

»Prima. Mario, bau das ein. Danke Maia. War ein guter Vorschlag!«

»Ich helfe doch gerne! Aber Waldi, Pascal fragt nach dir. Er hätte gerne, dass du einen Blick auf sein Auto wirfst.«

Waldemar zog eine Augenbraue hoch.

»Jetzt?«

»Nein. In zwei Jahren, sieben Monaten, an einem Donnerstag um kurz nach halb zehn, wenn es Recht ist.«

Mario lachte.

»Ihm ist schon klar, dass ich hier Verpflichtungen habe, oder?«

Mario lachte erneut.

»Kumpel, ich habe das bislang immer alleine auf die Reihe gebracht. Wenn du mal ein paar Minuten nicht da bist, wird die Welt nicht untergehen.«

Waldemar wollte kontern, dass ihm dieser Umstand wohl bewusst war, er aber dennoch eine eingegangene Verpflichtung sehr ernst nahm. Doch da war etwas in ihm, was ihn davon abhielt. Also nickte er nur.

Kurz darauf in der Garage von Pascal, schaute Waldemar nach dessen Auto. Wirklich nur ein Blick, dann nickte Pascal.

»Danke mein Freund. Weitermachen!«

Waldemar verstand die Welt nicht mehr. Erst sollte er herkommen und dann wieder gehen? Fragend schaute er zu Maia. Die stand jedoch mit dem Rücken zu ihm und da sie Bauchfrei unterwegs war, fiel sein Blick direkt auf ihre gemaltes Arschgeweih. Peng, Pluto war da.

»Boah! Das war ganz schön schwer, Waldi zu beeinflussen. Der ist heute einfach nicht geil genug!«

»Keine Angst, hätte ich schon geregelt. Danke Pascal!«

»Du kannst mir später danken. Mündlich, wenn es Recht ist!«

Maia grinste und nickte. Pluto merkte dabei, dass ihm das eigentlich nicht gefiel. Maia war seine Schlampe und das sollte auch so bleiben. Ihm war aber auch klar, ohne Pascals Hilfe hätte er keine Ausrede gefunden, warum Waldemar vom Kommandostand hätte weg gehen sollen. Also schwieg er.

»So, mein lieber Pluto. Die nächste Stunde gehörst du mir und ich zeige dir mal, wie gut ich sein kann, auch wenn ich nicht deine Schlampe bin!«

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