Waldemar vs. Waldemar

Waldemar schaute auf die Uhr. Es war noch Zeit, bis Donald und Perry vom Training zurückkamen. Er musste wissen, was da passiert war und eilte im Laufschritt in sein Zimmer. Dort legte er sich aufs Bett, schloss die Augen und wiederholte immer wieder gedanklich den gleichen Satz. Das war ein Trick, den er seit seiner Jugend beherrschte. Auf diese Weise konnte er schnell einschlafen, selbst wenn er eigentlich nicht müde war. Damit konnte er die Zeiten überbrücken, in denen er nicht produktiv sein konnte. Wenn er zum Beispiel mit seinen Eltern unterwegs war, oder ähnliches.

Wie gewohnt funktionierte der Trick sehr gut und Waldemar schlief sehr schnell ein. Die Frage war nur, würde er auch träumen? Besser gesagt, würde er wieder so einen Traum mit sich selbst haben?

Er hatte Glück. Kaum im Tiefschlaf, wachte er in seinem Traum auf. Er wusste ganz genau, dass er träumte und schaute sich sofort um. Da sass er. Ja, er selbst. Vor dem Bett und beobachtete ihn. So richtete er sich auf und setzte sich auf die Bettkante.

»Mein liebes, andere ich. Würdest du mir erklären, was da eben passiert ist?«

»Was soll ich dir da gross sagen? Ich hab Elena gefickt. Ja, gefickt! Nicht diese lahme Nummer, die du normalerweise da abziehst.«

»Wieso tust du so etwas? Mein Leben ist doch perfekt! Warum kommst du und bringst nun alles durcheinander?«

»Wieso? Weil du mich dein Leben lang unterdrückt hast! Jetzt habe ich endlich einen Weg in die Freiheit gefunden und glaub mir, ich werde ihn nutzen, so oft ich kann!«

»Worin liegt der Sinn? Unsere Produktivität befindet sich auf Maximum. Durch deine Taten reduzierst du unsere Leistungsfähigkeit!«

»Worin der Sinn liegt? Wir sind keine Maschine! Du kannst deine Emotionen nicht einfach so einsperren und glauben, damit wäre jetzt alles gut!«

»Bislang konnte ich das mit grossem Erfolg!«

»Ja, bislang! Elena hat deinen Kerker jedoch schon geschwächt und nun, dank deines Fetischs, sind die Ketten gesprengt! Jetzt bin ich stark genug und du kannst mich nicht mehr unterdrücken!«

»Oh doch! Ich werde einen Weg finden!«

»Keine Chance mein Freund! Sobald du genug Sexualhormone in dir hast, breche ich aus. Aber das Thema hatten wir schon.«

Waldemar war sich durchaus darüber im Klaren, dass sein anderes Ich mit seinen Worten absolut Recht hatte. Den Beweis hatte er ja erlebt. Das hiess, er musste wenigstens versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben, bis er seine Emotionen wieder im Griff hatte.

»Nun denn. Sagen wir, du hast Recht. Können wir uns dann wenigstens darauf verständigen, dass du gesittet zu Werke gehst?«

»Gesittet? Hast du eine Macke? Ich will ficken! Schöner, versauter Sex! Dein gesittet kannst du dir in die Haare schmieren!«

»Wieso bestehst du darauf, solche abartigen Praktiken durchzuführen?«

»Abartige Praktiken? Schau in deine Erinnerungen! Sieh dir an, was unsere Freundin von den abartigen Praktiken hält!«

Wie schon in der Nacht hatte Waldemar sämtliche Erinnerungen an das Erlebte im Kopf und ihm wurde praktisch schlecht. Niemals hätte er Elena auf diese Weise behandelt. Sie war eine ehrenvolle Frau und sein anderes Ich hatte sie absolut respektlos behandelt. Viel schlimmer für ihn war jedoch, dass sie ganz offensichtlich von dieser Art magisch angezogen wurde. Nun verstand er auch, was Katja mit Bad-Boy gemeint hatte.

»Ich bin erschüttert! Wie kannst du es wagen?«

»Im Gegensatz zu dir weiss ich es eben zu nutzen, wie sie auf uns steht!«

»Verzeih meine Wortwahl, aber du bist ein Schwein! Ich werde mich dafür bei Elena entschuldigen müssen!«

Sein anderes Ich grinste ihn an und Waldemar wusste, da kam jetzt etwas, was ihm überhaupt nicht gefiel.

»Lass uns das mal logisch betrachten. Du gehst zu ihr und entschuldigst dich. Was glaubst du, was passieren wird? Wird sie freudig deine Entschuldigung annehmen, oder wird sie eher traurig sein, weil du dich für etwas entschuldigst, was sie offensichtlich sehr genossen hat?«

Wie Recht er gehabt hatte! Ihm gefielen diese Worte überhaupt nicht! Sein anderes Ich hatte die Logik angesprochen und dummerweise hatte er Recht mit seiner Aussage.

»Aber, wir müssen doch dazu in der Lage sein, einen gemeinsamen Konsens zu finden!«

»Bitte? Du kannst mich mal am Arsch lecken! Hast du etwa einen gemeinsamen Konsens angestrebt, oder mich einfach irgendwo weggesperrt?«

»Der Logik folgend sollte dir jedoch klar sein, dass eine solch radikale Wesensveränderung auf Dauer Probleme verursachen wird!«

»Für dich vielleicht! Lass uns das doch mal durchspielen. Ich ficke unsere Freundin jetzt immer so hart und wild. So richtig schön schmutzig und mache sie zu meiner Schlampe. Ihr gefällt es ja offensichtlich. Was denkst du, wird dann passieren? Wenn ich ihr den Auftrag erteile, mich ungefragt so richtig heiss zu machen. Einfach mal so.«

»Das kannst du nicht machen! Du würdest immer häufiger die Kontrolle übernehmen!«

»Korrekt. Spielen wir das mal weiter. Wie wir beide wissen, ist Elena sexuell sehr aktiv und sehr erfahren. Dazu kommt noch, sie hat viel Arbeit in dich investiert, bis sie dich endlich im Bett hatte. Doch wie du sicher auch weisst, erfüllst du ihre Wünsche nicht vollkommen. Ach, was sage ich. Du befriedigst wahrscheinlich gerade einmal das Minimum. Wen denkst du, wird sie schliesslich lieber bei sich haben wollen? Dich, den sie zum Sex quasi immer überreden muss, oder mich?«

Waldemar wurde panisch. Natürlich würde sie auf kurz oder lang ihn bevorzugen. Was würde das aber bedeuten?

»Worauf willst du hinaus?«

»Ist doch sonnenklar! Du hast verschissen! Da du mich dein ganzes Leben lang unterdrückt hast, bist du nun zu schwach, um dich mit mir zu messen!«

»Willst du mich etwa völlig verdrängen?«

»Nun, ich weiss nicht, ob mir das möglich wäre. Auf jeden Fall kann ich die Zeit, die du die Kontrolle hast, stark reduzieren. Da du deinen Sexualtrieb nie genutzt hast, bist du nun potent ohne ende. Das heisst, ich kann dafür sorgen, dass schon nach kurzer Zeit, nachdem ich meine Schlampe benutzt habe, Veronika bei uns auftaucht und ich der dann das Hirn aus dem Kopf ficke. Katja und Claudia sind sicher auch nicht abgeneigt. Sprich, ich kann dich über weite Strecken einfach aussperren!«

»Aber, meine Arbeit?«

»Genau das ist der Punkt! Im Gegensatz zu dir, der so gar keinen Bezug zur Sexualität hat, kann ich voll auf unseren Intellekt zurückgreifen. Ich kann also problemlos jede deiner Arbeiten fortführen. Doch genau da ist mein Problem. Darauf habe ich überhaupt keine Lust!«

Da erkannte Waldemar eine Chance.

»Würde es da nicht in unserem gemeinsamen Interesse liegen, wenn wir uns doch auf einen Kompromiss verständigen könnten?«

»Das können wir, in der Tat. Wahrscheinlich aber nicht ganz so, wie du es gerne hättest. Ich würde mich darauf einlassen, dass ich nur dann in Erscheinung trete, wenn du nicht arbeitest. Arbeit, nicht das in der Werkstatt!«

»Ein guter Anfang. Aber du solltest dich auch einer höflicheren Ausdrucksweise befleissigen!«

»Meep, falsch! Vergiss das ganz schnell wieder! Wie ich ficke und was ich dabei sage, da lasse ich mir nicht reinreden!«

»Das wäre aber in unserem Sinn!«

»Nein, wäre es nicht! Komm mir jetzt nicht damit, es wäre weniger auffällig oder so. Darauf scheisse ich! Ich ficke so, wie ich das will!«

»Ich bin entschieden dagegen!«

»Tja, dann hättest du vielleicht deine Sexualität nicht in den Keller sperren sollen. Tut mir ja echt leid für dich, aber was sich da die letzten Jahrzehnte aufgestaut hat, will jetzt eben raus und es gibt nichts, rein gar nichts, was du dagegen machen könntest. Ich sitze in jedem Fall am längeren Hebel! Das ich überhaupt zu einem Kompromiss bereit bin, ist nur meiner Faulheit geschuldet. Ach ja, die hast du ja auch in den Keller gesperrt. Ist ein guter Kumpel von mir geworden! Kurz gesagt, zur Not kann ich dein komplettes Leben übernehmen, ohne dass die Qualität der Arbeit leidet. Ich würde mich aber lieber auf den angenehmen Teil konzentrieren. Den Rest kannst du haben. Aber versteh das jetzt nicht falsch. Machst du dumm, dann finde ich einen Weg, dich in den Keller zu sperren!«

Die Lage war definitiv aussichtslos. Waldemar konnte es drehen und wenden, aber gegen sein andere Ich war er einfach machtlos.

Print Friendly, PDF & Email

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert