Wendung mit Folgen

Während Pascal und Janine den Berg herabstiegen und redeten, dachte Katja schon wieder an Fabrizio. Perry auch, aber im Hinblick auf Katja natürlich. Auch Amy hatte so ihre Gedanken, wie eigentlich alle der Gruppe. Es ging in aller Regel irgendwie um Sex, bis auf bei einer. Claudia.

Klar, natürlich dachte auch Claudia an Sex, doch nicht so, wie es normal gewesen wäre. Es war eher ein Hintergrundgedanke. In ihrem Kopf spukte etwas Anderes herum. Cloud 9. Seit sie das probiert hatte, ging es ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie wollte alles darüber wissen und wen sollte sie da fragen, wenn nicht den Erfinder höchst selbst?

Sie passt einen Moment ab, wo Viper sich von der Gruppe entfernte, um anscheinend nach dem See zu schauen. Schon war sie hinter ihm.

»Du Viper, kann ich dich was zu Cloud 9 fragen?

Viper schaute abschätzend zu Claudia.

»Und was?«

»Du hast das echt erfunden?«

»Ja, habe ich.«

»Wie? Wo?«

»Wo ist simpel. In einem Bunker. Schön abgeschieden und so. Wie, ist genau genommen auch nicht komplizierter. Ich habe einfach die Wirkstoffe verschiedener Medikamente kombiniert. Ein paar Substanzen ergänzen sich, wieder andere haben Wechselwirkungen und zusammen ergeben sie diese Wirkung.«

»Und die Nebenwirkungen?«

Viper fing an zu lachen.

»Dazu kann ich dir echt nichts sagen. Ich habe keine Langzeitstudien angefertigt. Das Zeug hat geknallt, ich konnte es wie gestört absetzten, mehr musste ich nicht wissen.«

»Hast du gut dran verdient?«

»Klar hab ich! Abartig gut sogar! Der grösste Teil meines Vermögens sind Einnahmen aus den Geschäften!«

Claudia machte grosse Augen.

»Warst du nicht im Knast?«

»Ja, doch. Dort wurde ich ja von Hubble zu Viper.«

»Und das Geld konntest du behalten?«

Wieder lachte Viper.

»Ja, sicher! Sagen wir mal, in der Zeit habe ich dann angefangen zu erkennen, dass mein Papa doch kein so schlechter Mensch ist. Ich gab ihm mein Drogengeld, er mir so etwas wie einen Fond, den er für den Fall für mich eingerichtet hatte, dass ich doch mal mein Leben auf die Reihe kriegen und ein produktives Mitglied der Gesellschaft werden würde.«

»Ohne Scheiss?«

»Ja. Gut, ganz so simpel war es dann nicht, aber auch nicht viel komplizierter. Wichtig daran ist einfach, ich habe mein Geld, total legal und kann davon leben.«

»Und trotzdem gehst du jeden Tag deinem Tagesgeschäft nach?«

»Na ja, nicht jeden, wie du ja weisst. Den Laden führt eigentlich Tom. Prinzipiell arbeite ich dort nur mit. Aber ja, an den meisten Tagen arbeite ich dort.«

»Warum?«

Das verstand Claudia wirklich nicht. Sie hatte zwar entdeckt, dass es ein echt tolles Gefühl war, auf eigenen Beinen zu stehen, aber dennoch wäre sie nicht jeden Tag acht Stunden auf die Arbeit gefahren.

»Weil es meinem Leben einen Sinn gibt.«

Ob Claudia das jetzt nachvollziehen konnte, war ihr noch nicht ganz klar. Sie hatte aber auch andere Belange zu klären.

»Aber im Prinzip ist es nicht so schwer, eine Droge wie Cloud 9 selbst herzustellen?«

Wieder ein abschätzender Blick von Viper.

»Willst du jetzt ein Koch werden?«

Es folgte ein für Claudia lustiger Moment. Sie hatte da wieder etwas im Kopf, aber jemand musste ihr zeigen, dass sie diesen Gedanken hatte. Denn, ja, sie interessierte sich für Cloud 9. Aber das war auf den unglaublichen Kick zurückzuführen. Doch nun, da Viper es gefragt hatte, hatte sich der Gedanke schon fest in ihren Kopf gebrannt.

»Ich? Quatsch! Ich konnte nur noch nie jemand fragen, wie er auf die Idee mit seiner Droge gekommen ist.«

»Ach so. Na ja, wirklich stolz bin ich nicht darauf. In der Zeit habe ich viele schräge Dinge gemacht und viele Gesichter auch auf schräg gebürstet. Was dann kam, meine PC-Firma und dann die Werkstatt, der Alte und dann sein Sohn, darauf bin ich stolz! Auf mein Auto, die Rennen. Ja, aber nicht auf meine Zeit als Koch.«

»PC-Firma?«

Davon hörte Claudia zum ersten Mal.

»Lange Geschichte. Um sie kurz zu halten, ich musste ja irgendwie Geld verdienen und da ich ganz gut mit Computern klar komme, habe ich entsprechend auch daraus was gemacht. Das lief super. Bis auf so einen kleinen Unfall, wo im Stau mein Auto etwas gestaucht wurde und später dann meine Verlobte gestorben ist. Die hat da auch mitgearbeitet. Luigi führt das Ding jetzt. Nach Sams Unfall konnte ich da einfach nicht mehr arbeiten. Dann kam die Werkstatt.«

»Und was hat es mit dem Alten auf sich?«

Claudia wusste, dass sie das Thema Sam ganz schnell umgehen musste.

»Auch so eine Geschichte. Niemand wollte ihn einstellen, niemand gab ihm eine Chance. Bis auf ich. Ich habe ihn in die Werkstatt geholt um dann zu erkennen, der hatte ja so viel mehr drauf als ich! Damals bin ich noch mit dem Lion 45 Rennen gefahren. Bis ich dann gehört habe, dass der Alte von uns gegangen ist. An dem Tag habe ich dann meinen 45 geschrottet, weil ich unkonzentriert war. Wieder mal Krankenhaus und so. Tom ist sein Sohn. Er wollte zwar anfangs nicht, aber er hat die Stelle seine Vaters schliesslich doch ausgefüllt.«

Claudia wurde verlegen. Sie wollte ja nicht wieder eine traurige Erinnerungen bei dem teilweise über sensiblen Viper auslösen.

»Tut mir leid, wusste ich nicht.«

»Alles gut. Der Alte hatte es eben einfach hinter sich. Nicht wie bei Sam. Klar, der Verlust hat mich tief getroffen und ich vermisse seine Geschichten noch heute, aber anders als bei Sam hatte er sein Leben eben hinter sich.«

»Verstehe. Aber sag doch mal, wenn du heute eine Droge herstellen müsstest, wäre das wieder Cloud 9?«

Wieder lachte Viper.

»Ganz sicher nicht! Cloud 9 ist nur das zusammen panschen verschiedener Medikamente. Wenn man wüsste welche, könnte man sich die ganz Legal in der nächsten Apotheke kaufen und selbst kombinieren. Nein. Wenn, dann würde ich Chemie benutzen. Eine Droge erschaffen, die genau das im Kopf aktiviert, was sie auch aktivieren soll und dabei dann hochgradig süchtig macht. Wichtig aber, es dürfte keine Bestandteile enthalten, die illegal sind. Das Zeug müsste man ganz legal beschaffen können. Klar irgendwann würde es dann verboten, aber bis dahin könnte man einen riesigen Gewinn erwirtschaften.«

»Gibt es schon!«

Viper und Claudia zuckten zusammen.

»Was gibt es schon Pascal?«

»Na so eine Droge! Chemisch reine Formel. Das Zeug macht wirklich nichts anderes, als den Konsumenten auf den Trip seine Lebens zu schicken und ihn hochgradig süchtig zu machen!«

»Ach ja? Müsste ich das kennen?«

»Keine Ahnung Dicker. Snowwhite heisst das.«

Da klingelte was bei Viper, aber auch bei Claudia. Sie kannte das Zeug. Dummerweise war es in Deutschland nur unglaublich schwer zu bekommen. In jedem anderen Land bekam man es an jeder Ecke, doch Deutschland. Wenn es mal irgendwo ein paar Dealer gab, wurden die kurz darauf hinter Schloss und Riegel gesteckt.

»Schon probiert?«

Fragte Claudia. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sofort wieder eine unwiderstehliche Lust auf Snowwhite bekam, nachdem sie den Namen gehört hatte. Die Abhängigkeit war in der Tat unglaublich stark.

»Ich? Klar. Aber ich kenne zudem auch den Hersteller.«

»Ach ja? Kannst du was besorgen?«

Pascal kam auf Claudia zu und tippte ihr ein paar Mal mit dem Zeigefinger an die Stirn.

»So sehe ich aus!«

In Claudia schwanden die Hoffnungen. Der Trip war schon echt übel gewesen, also in positiver Hinsicht. Noch so eine Runde hätte ihr sehr gut gefallen. Da Pascal aber nicht dran kam, war Claudia sofort deprimiert. Irgendwie war das doch echter Murks. Warum gab es das Zeug eigentlich nicht in Deutschland? Waren die Leute nur im Ausland gut genug, ihre Spuren zu verwischen, oder war die deutsche Polizei einfach zu gut? So schwer war es ja nicht, dass Zeug zusammenzumischen. Claudia hatte jedes Detail im Kopf. Da kam ihr der Gedanke, warum es nicht selbst herstellen?

Print Friendly, PDF & Email

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert