Der Älteste

Die Megaclite hatte schon fast wieder Brassika erreicht, als Krieger eine Besprechung abhielt. Anwesend waren nur die höchsten Offiziere, Ruug und die beiden Brass.

»Okay. Wir erreichen in Kürze Brassika. Ich muss nicht erwähnen, dass es eigentlich ein Verbrechen ist, was wir da vorhaben. Deshalb will ich noch einmal die Möglichkeit einräumen, eventuelle Bedenken anzumelden.«

Krieger pausierte kurz, doch anscheinend hatte niemand etwas zu sagen. Nicht einmal die Brass.

»Okay, gut. Baki, ich gehe mal davon aus, der Älteste wird in dieser Halle sein?«

»Nein, warum sollte er? Da drin werden Personen geprüft, Besprechungen abgehalten, Anliegen mitgeteilt und erörtert. Normalerweise sind die Ältesten nicht dort.«

Das fand Krieger jetzt nicht so toll. Wie sollte er den Ältesten so finden? Da musste eine Lösung her.

»Okay Baki. Wo findet man ihn dann?«

»Schwer zu sagen Kapitän. Ich würde es anders machen. Ich würde vor der Ankunft um eine Sitzung bitten. Wird der entsprochen, werden sich alle in der Halle aufhalten.«

»Würden sie das in die Wege leiten?«

»Mit Vergnügen Kapitän.«

»Gut. Das weiter Vorgehen sollte klar sein. Wir transportieren den Ältesten hier ins Schiff, halten ihn gefangen und dampfen sofort ab in Richtung Heimatplanet der Thori. Tiffany, ich sage es ihnen aber gleich. Sorgen sie dafür, dass der Älteste sich fühlt wie ein unfreiwilliger Gast. Er bekommt alle Annehmlichkeiten, darf eben nur seine Räumlichkeiten nicht verlassen.«

»Kriege ich hin Krieger, keine Bange.«

»Kapitän, wie wollen sie denn den Anführer der Thori identifizieren?«

Krieger schaute zu Baki.

»Das kann ich beantworten. Die Thori pflegen verschiedene Rituale, folgen Protokollen und ähnliches. Sollte die Megaclite den Planeten angreifen, wird sofort die ganze Regierung in Sicherheit gebracht. Dafür gibt es einige Orte. Starke, gut gesicherte Bunker, die man vom All aus eigentlich kaum bedrohen kann. Drei dieser Anlagen werden im Falle eines Angriffs in Betrieb genommen. In einen kommt der amtierende Regierungsführer samt seinem Stab, in den zweiten der Vize mit seinen Leuten und der Dritte ist nur ein Fake, quasi eine Ablenkung. Während der Evakuierung ist es also kein Problem, den Anführer zu identifizieren.«

»Verstehe ich gerade nicht. Ich dachte, es sind drei?«

»Korrekt Ruug, deshalb würde ich empfehlen, alle Drei ins Schiff zu bringen. Dann haben wir auf jeden Fall die wichtigsten Persönlichkeiten der Thori.«

Krieger wollte zwar nicht unbedingt den grossen Otto losmachen, aber wenn das eine praktikable Möglichkeit war, würde die Megaclite eben ein bisschen ballern.

»Gut. Aber jetzt erst einmal der Älteste. Der wird mit Sicherheit nicht erfreut sein!«

Kaum eine Stunde später erreichte die Megaclite den Planeten. Baki hatte alles vorbereitet und Casper konnte mit den Sensoren ein Bild auf den Hauptschirm bringen, wo die Halle und die Personen darin zu sehen waren.

»Das klappt ja hervorragend Casper! Ray, haben sie den Ältesten im Visier?«

»Aber natürlich Kapitän. Warte nur auf ihren Befehl!«

Tiffany stand mit vier bewaffneten Männern und Baki bei Ray.

»Dann los, holen sie ihn an Board.«

Ray tippte und kurz darauf wurde der Transporter aktiv. Er brachte nicht nur den Ältesten an Board, sondern auch gleich noch den Stuhl, auf dem er sass. Als der Transport abgeschlossen war, legte der Älteste die Hände auf die Oberschenkel.

»Willkommen auf der Megaclite. Es tut mir leid das …«

Bevor Tiffany weitersprechen konnte, hob der Älteste eine Hand.

»Siehe, die Götter werden auf unergründlichen Wegen wandeln. Sie nutzen ihre Macht und tun das unmögliche, um uns ins Licht zu führen!«

Tiffany fand das langsam nicht mehr komisch. Waren diese Vorhersagen wirklich derart präzise, oder einfach nur wie einst die des Nostradamus nur so allgemein, dass man alles mögliche hinein interpretieren konnte und sie erst dann etwas vorhersagten, wenn es schon eingetroffen war?

»Ja, so in der Art. Ich will mich dennoch entschuldigen. Eigentlich ist es nicht unsere Art.«

»Entschuldigungen sind nicht notwendig. Tut, was ihr vorhabt. Ich bin mir sicher, es wird uns zum Vorteil gereichen!«

»Okay, na ja prima. Dann folgen sie mir bitte, ich bringe sie in ihr Quartier für die Reise. Was ich ihnen versichern kann, wir sind nicht hier, um ihnen irgendwie zu schaden.«

»Es ist mir bewusst, mein schönes Kind. Ich habe keine Furcht.«

Das ging ja einfacher, als Tiffany sich das vorgestellt hatte. Die Megaclite nahm derweil Kurs auf die Heimatwelt der Thori. Bevor auch nur ein Raumschiff sich in Bewegung setzen konnte, war schon alles zu spät. Der Älteste war weg, da war nichts mehr dran zu rütteln.

Krieger wollte es sich aber nicht nehmen lassen, persönlich mit dem Ältesten zu sprechen und suchte ihn in seiner Kabine auf. Er sass in einem Sessel und schaute aus dem Fenster. Ohne sich zu ihm umzudrehen fing der Älteste an zu sprechen.

»Kommen sie rein Kapitän. Ich war so lange nicht mehr im Weltraum, ich hatte vergessen, wie schön hier alles sein kann.«

Krieger trat herein und wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte.

»Ältester, ich wollte mich ihnen erklären.«

»Das müssen sie nicht. Alles ist so eingetroffen, wie es die Vorhersage gesagt hat. Ich wusste, dass ihr erneuter Besucht einiges verändern würde. Zwar war mir nicht klar, was sie tun würden, doch wusste ich, es würde eine schwerwiegende Entscheidung werden.«

»Das meine ich nicht. Ich will ihnen erklären, warum ich möglichst schnell den Kontakt beenden möchte.«

Nun drehte der Älteste sich um.

»Auch dazu hat die Vorhersehung etwas zu sagen. Es ist ihre Voreingenommenheit. Die Tatsache, dass sie die Gepflogenheiten anderer Kulturen, die sich zu weit von den ihren entfernen, nicht akzeptieren können. Sie wollen uns nicht kritisieren, uns keine andere Meinung aufzwingen. Sie wollen nur nicht mit uns gemeinsam leben.«

Krieger war platt. Auch das war in der Vorhersehung schon genannt worden? Er war definitiv beeindruckt.

»Ja, also, so ist das in der Tat nicht ganz falsch.«

»Schämen sie sich nicht Kapitän. Auch ich habe in meiner Amtszeit einige Male versucht, unser Volk auf anderes Fleisch einzustimmen. Es war immer erfolglos. Eine aus der Not geborene Massnahme ist zu einem festen Fundament unserer Kultur geworden. Es gibt viele, die damit ihre Schwierigkeiten haben, aber es ist eine Minderheit. Dennoch ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich Pläne entwickle, um diesen Umstand zu bereinigen.«

Damit hatte Krieger nicht gerechnet. Weder, dass diese Gepflogenheit so tief in der Kultur verwurzelt war, dass man sie nicht einfach abstellen konnte, aber auch nicht mit der Ablehnung des Ältesten.

»Es ist richtig. Ich komme damit nicht wirklich klar. Das sich junge Frauen freiwillig opfern, geht mir nicht in den Kopf. Aber, ich habe es gesehen. Wir waren auf SchlaHa. Ich weiss, dass niemand zu dieser Handlung gezwungen, oder genötigt wird. Dennoch kann ich es nicht akzeptieren.«

»Dennoch liegt darin etwas gutes. Vielleicht werden damit unzählige Leben gerettet!«

Krieger schaute verwundert.

»Wie denn das?«

»Nun, sie sehen sich genötigt, einen radikalen Weg einzuschlagen. Sollte es gelingen, könnten sie ihr Ziel erreichen, ohne noch ein einziges Leben dafür zu opfern. Bedenkt man den bisherigen Verlauf der Kämpfe, sind schon sehr viele gefallen. Leben, die nicht mehr zurückkommen werden.«

Daran hatte Krieger tatsächlich nicht gedacht. Seit SchlaHa war er nur noch von dem Gedanken besessen, so schnell wie möglich das Versprechen zu halten und dann mit Volldampf zu verschwinden. Das dadurch keine weiteren Kämpfe mehr stattfinden und keine Opfer mehr fordern würden, daran hatte er nicht eine Sekunde gedacht.

»Sehen sie Kapitän? In allem steckt auch immer etwas gutes.«

»Da haben sie vermutlich sogar Recht. Es tut mir leid, dass ich mich zu dieser Massnahme gezwungen sehe und bitte sie, sich auf der Reise so wohl zu fühlen, wie es für sich möglich ist. Wenn sie etwas brauche, sagen sie es bitte. Wir werden ihnen kein Leid zufügen und wenn alles vorbei ist, werden wir sie auch sicher zurück nach Brassika bringen. Mein Ehrenwort!«

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