Sau schnell über den Wolken

»Ich? Ich soll ins Cockpit?«

»Ganz genau! Also auf, die warten!«

Waldemar war beunruhigt. Alles vorne zu erleben, war nicht gerade in seinem Sinn. Doch war er auch neugierig darauf, was Mario ihm zeigen wollte und folglich verflog seine Angst. Er stand auf und ging nach vorne. Als er das Cockpit erreicht hatte, bot Mario ihm den Platz neben sich an. Waldemar klappte die Sitzfläche wie im Kino runter, setzte sich und schnallte sich so fest an, wie es nur ging.

»So Waldemar, jetzt pass mal auf. Wir lassen jetzt die Triebwerke an. Normalerweise muss man dafür einen Wagen mit Strom und so kommen lassen, aber ich hab das anders geregelt.«

Waldemar schaute neugierig. Mario tippe etwas auf der Tastatur und sah sich die Meldungen an.

»Externe Stromversorgen. Alles eingestellt. Du kannst Triebwerk 1 anlassen!«

Das übernahm Aisha. Sie aktivierte über sich ein paar Regler und Schalter, dann heulte etwas auf. Das Geräusch wurde immer lauter und höher, bis Aisha wieder einen Schalter umlegte. Sofort wurde das Geräusch tiefer und irgendwie bedrohlicher. Da Waldemar jedoch bewandert war, mit dem Funktionsprinzip eines Strahltriebwerkes, wusste er, was welche Geräusche zu bedeuten hatte.

Hinten in der Kabine schauten Donald und Perry nach draussen. Total sinnlos, denn die Triebwerke waren von der Kabine aus natürlich nicht zu sehen.

Ein weiteres Triebwerk heulte auf, dann noch eins und schliesslich das vierte. Waldemar schaute vorne zu, was die Leute da taten und das lenkte ihn tatsächlich genug ab, nicht an die ganzen Gefahren zu denken.

»Gut. Alle Triebwerke haben perfekten Leerlauf. Visier und Nase runter, dann ist die Checkliste komplett!«

Viper legte im vorderen Armaturenbrett einen Schalter um, dann sank zuerst das Visier, was Waldemar irgendwie einschüchterte, dann die Nase. Er war aber auch beeindruckt, um wie viel die Sicht nach vorne auf einmal besser war.

»Alles klar. Bremsen los. Aisha, dein Flugzeug!«

Waldemar konnte richtig sehen, wie Aisha voller Stolz die Hände auf das Steuerhorn legte. Dann verschwand eine rote Leuchte im Armaturenbrett. Was Waldemar dann wieder nicht gefiel, Aisha nahm die Hände wieder vom Steuer. Ihre Rechte legte sich auf die Schubkraftregler, die Linke konnte Waldemar nicht sehen. Als sie dann jedoch vorsichtig die beiden inneren Hebel nach vorne drückte, rollte die Maschine sofort anstandslos los.

Bis das Flugzeug die Startbahn erreicht hatte, war Waldemar noch ganz ruhig. Das Ding fuhr ja und flog nicht. Doch dann. Vor sich die lange Startbahn und natürlich hatte er sofort den Gedanken im Kopf, nun folgte einer der beiden kritischsten Teile eines Fluges.

»Mit Nachbrenner, oder ohne?«

»Nee, mit! Wir haben leichten Seitenwind. Ich will so schnell es geht in die Luft.«

»Alles klar Aisha! Mario, du weisst Bescheid?«

»Ich? Nee. Bin noch nie mit dem Ding geflogen!«

Waldemar war ja wirklich noch nie damit geflogen und die Frage nach Nachbrennern gefiel ihm überhaupt nicht. Ein Nachbrenner war ein System, wo Kerosin in den heissen Abgasstrahl eines Triebwerks gepumpt und damit zur Explosion gebracht wurde. Nicht gerade das, was er für sonderlich sicher angesehen hätte.

Spielte aber alles keine Rolle mehr. Die rote Leuchte flammte wieder auf. Aisha drückte nun alle vier Hebel bis zum Anschlag nach vorne. Kurz darauf legte Mario, ein kleines Stück hinter den Reglern, Schalter um. Erst zwei in der Mitte, dann die Äusseren. Sofort wurde der Lärm deutlich lauter und die Vibrationen zeigten schon an, die Maschine wollte los. Die rote Leuchte erlosch wieder.

»3 … 2 … 1 … los!«

Kam von Viper. Die Maschine drückte die Insassen ganz heftig in den Sitz. Weit schlimmer, als beispielsweise der Lion. Auch Perry und Donald hinten wussten gar nicht wie ihnen war, als diese Macht sie offensichtlich zerquetschen wollte. Waldemar hingegen hatte schon mit seinem Leben abgeschlossen und es schien ihm, als würde sein Leben gerade erneut an ihm vorbeiziehen.

»Rotieren!«

Kam schon kurz darauf von Viper. Das lenkte Waldemar ein wenig ab, denn sofort hatte er die Verhaltensregeln für einen Start im Kopf. Eigentlich hätte Viper erst die Geschwindigkeiten angeben müssen, dann V1 und schliesslich erst dann die Meldung zum rotieren.

Aisha zog das Steuer nur ganz leicht an sich heran, aber sofort hob sich die Nase und Waldemar spürte, wie er nun nicht mehr nur nach hinten, sondern auch nach unten gedrückt wurde.

»Positive Steigrate!«

»Fahrwerk rein, Nase hoch!«

Während Aisha die Anweisungen gab und Viper sie ausführte, leitete sie eine Linkskurve ein. Butterweich legte sich die Maschine in die Kurve. Waldemar war so fasziniert, dass er gar keine Zeit hatte an seine Angst zu denken. Ihm schien es, als würde das Flugzeug von seinen Triebwerken getragen und nicht von den Tragflächen.

»Mario? Kurs?«

»Sekunde! Ich rede gerade mit der ATC.«

Während die Maschine weiter stieg, funkte Mario mit der Air-Traffic-Control. Bis er schliesslich alles geklärt hatte.

»Moment, muss den Kurs etwas abändern. Wir dürfen nicht über Frankreich fliegen.«

»Wieso das denn?«

»Keine Ahnung Aisha. Ist  ja aber auch egal, fliegen wir über die Nordsee zum Atlantik!«

»Reicht dafür der Treibstoff?«

Waldemar klang neugierig, kein bisschen ängstlich.

»Ja, ist genug drin. Wir müssen ja auch nicht unbedingt Vollgas fliegen.«

»So, neuer Kurs ist gesetzt. Maximale Flughöhe bei Mach 4.«

»Alles klar Mario. Viper, dann geh mal auf Autopilot und fahr das Visier hoch.«

Viper schaltete wieder etwas, legte dann den Schalter für die Nase um und das Visier fuhr wieder hoch. Waldemar war beeindruckt, wie still es auf einmal im Cockpit war.

»Und Waldi? War doch gar nicht so schlimm, oder?«

»Nun, Freund Mario, die Beschleunigungskräfte waren sehr beeindruckend. Doch nein, ich hätte es mir in der Tat weit beunruhigender vorgestellt.«

»Jetzt wackeln da unten wieder die Scheiben!«

Feixte Aisha. Waldemar suchte die Armaturen ab. Tatsächlich. Sie hatten gerade die Schallmauer durchbrochen. Nach so kurzer Zeit? Mit einer derart grossen, schweren Maschine? Seine Neugier brach durch und er fing an, Fragen zu den Triebwerken zu stellen. Aisha gab bereitwillig Auskunft.

»Und Schatz? Dagegen ist der Jet ja wohl eine lahme Ende!«

»Hör mir auf! Als hätte das Ding eine Rakete im Arsch!«

»Na, nicht ganz Perry. Aber schon dicht dran. Ist einfach cool mit dem Teil zu fliegen!«

Elena schaute zu Amy.

»Viel cooler finde ich eigentlich, wie ihr an das Ding gekommen seit.«

Rebekka mischte sich ein.

»Ja? Ich nicht! Ich hab da immer noch manchmal Alpträume. Überleg mal, eine falsche Bewegung, ein falsches Wort und wir wären gefoltert und getötet worden. So cool der Vogel auch ist, ich würde es nicht noch einmal durchmachen wollen.«

»Stimmt das? Fliegen wir wirklich schon mit Überschall?«

»Klar Donald. Oder was denkst du heissen die Mach 1,3 da auf der Anzeige?«

»Schon krass wie leise es geworden ist, seit wir die Schallmauer durchbrochen haben.«

»Das wird noch leiser, wenn wir auf Reiseflughöhe sind Perry.«

»Ich weiss, wegen dem niedrigen Luftdruck Janine.«

»Genau, Herr Professor.«

Waldemar verstummte im Cockpit. Er war eigentlich keiner, der sich von Naturschauspielen besonders beeindrucken liess, doch als er sah, wie der eben noch blaue Himmel über ihnen immer dunkler wurde und er die Erdkrümmung immer deutlicher sehen konnte, musste er einfach schweigen. Viel zu anmutig war das Schauspiel.

Mario musste grinsen.

»Viper, ich glaube, wir haben Waldi kaputt gemacht!«

Viper drehte sich um und auch er musste grinsen.

»Tja, man muss eben nur mit über doppelter Schallgeschwindigkeit in dieser Höhe fliegen, schon ist sogar ein Waldemar beeindruckt.«

»Meine lieben Freunde! Ihr verkennt wieder völlig die Lage! Ich bin nicht beeindruckt, ich berechne nur …«

»Ach Waldemar! Gibt einfach mal zu, dass auch dich etwas beeindrucken kann! Du bist auch nur ein Mensch!«

Irgendwie wurde Waldemar dadurch von Aisha wirklich gekränkt.

Print Friendly, PDF & Email

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert