Bestandsaufnahme

Nachdem die Jungs zurück waren erkannte Waldemar, dass sie doch noch Interesse an ihrer Arbeit hatten. Perry sah jedoch irgendwie so aus, als hätte er gerade einen hohen Berg ohne Sauerstoff bestiegen. Nichtsdestotrotz, kaum waren sie zuhause, klemmten sie auch schon am Computer. Sogar länger, als Waldemar es erwartet hatte.

Als der Nachmittag kam, wollte dann schliesslich auch Waldemar zu dem Auto. Das mag auch daran gelegen haben, dass Donald eine kleine Firma damit beauftragt hatte, die Karre grundlegend zu reinigen und auf Waldemars Wunsch hin auch zu desinfizieren. Die würden bald anrücken und dann musste schliesslich jemand in der Garage sein.

Zuvor jedoch noch ein kleiner Umweg zum Bauhaus. Was den Jungs fehlte war definitiv Werkzeug. Davon besorgten sie sich nun so ziemlich alles, was ihnen irgendwie wichtig erschien. Das dazu dann auch gleich doppelt. Einmal für Perry, einmal für Donald. Perrys Gedanke dahinter war Donalds Unordnung. Er selbst hatte es lieber, wenn alles wichtige auch seinen Platz hatte.

Doch neben dem Werkzeug besorgten sie sich auch Handschuhe, Blaumänner und Schutzbrillen. Auf Letzteres bestand Waldemar, der in vielen Aktivitäten doch schon eine Gefahr für die Augen sah. Nun denn. Noch ein paar Wagenheber und ein Rollbrett, damit war die Sache durch.

Endlich am Auto. Perry, der bislang noch nie wirklich an einem Auto gearbeitet hatte, verspürte eine gewisse Aufregung. Er hatte nur theoretisches Wissen und fand es super spannend, alles mal direkt zu erleben und sich auch die Finger schmutzig machen zu können.

Schon mit dem Öffnen der Garage schienen sie eine andere Welt zu betreten. Normal waren sie Nerds. Computer, Videospiele, Filme und Serien. Das war jedoch was ganz anderes. Ein echtes Auto, echte Defekte, echte Wartungsarbeit. Dabei dachte Perry auch an den Umstand, dass Schrauben nach einer gewissen Zeit die Angewohnheit hatten, sich freiwillig nicht mehr zu drehen. Das bedeutete Kraftanstrengung. Ohne auch nur einen Schraubenzieher in die Hand zu nehmen, meldeten sich dabei schon Perrys Muskeln. Die waren an diesem Tag schon massiv strapaziert worden und sollten nun weiter gequält werden?

Nun, ihm war das in dem Moment egal. Er wollte an dem Ding arbeiten und auch wenn es wehtun würde, er würde es durchziehen.

Zuerst zogen sich die Jungs jedoch die Blaumänner über und Waldemar auch die Handschuhe. Ohne, so sagte er, würde er das Fahrzeug in seinem jetzigen Zustand nicht berühren. Donald war da schmerzfreier. Er öffnete die Beifahrertür und setze sich einfach hinein. Da gab es noch viel zu entdecken!

Zumindest dachte er das. Doch auch wenn die Kiste Ablageflächen hatte, alles war leer und sah so aus, als wäre da noch nie etwas verstaut worden. Interessanterweise war es Waldemar, der Donald den Hinweis gab, Service-Bücher und Gebrauchsanleitungen würden bei vielen Autos unter dem Beifahrersitz verstaut werden. Donald schaute nach und spürte tatsächlich was. Als er es zum Vorschein brachte war er beeindruckt. Eine grosse Mappe und da war jede Menge Zeug drin. Da war die Gebrauchsanweisung, doch war die auf italienisch. Donald verstand kein Wort. Auch ein Service-Heft war dabei und nach dem war die Kiste, bis sie in Veronikas Besitz überging, vorbildlich gewartet worden.

Das Letzte, was er aus der Mappe förderte, verschlug ihm dann die Sprache.

»Eh Jungs! Schaut euch das an! Ein Werkstatthandbuch von der Kiste!«

Perry kam sofort neugierig angesprungen. Waldemar kam zwar auch, jedoch emotionslos, wie man es von ihm gewohnt war. Perry schaute sich das Buch an. Tatsächlich ein richtiges Werkstatthandbuch. Jedes einzelne Bauteil des Fahrzeugs war inklusive Explosionszeichnung und Teilenummer abgebildet. Ein echter Schatz, denn so mussten die Jungs nicht raten, was für welchen Zweck da war.

»Wie geil! Das hilft uns weiter!«

»Korrekt Freund Perry! Ein wirklich grossartiger Fund!«

Ein Fund, welchen die Jungs auch gleich nutzen wollten. Die Motorhaube wurde geöffnet und kurz darauf begann das schrauben. Doch so toll das Handbuch auch war, die Teile selbst hatten keine Nummern. Wenn sie also, nachdem so etwas abgebaut hatten, hinterher auch sicherstellen wollten, dass sie dessen Herkunft zurückverfolgen konnten, dann mussten die Teile irgendwie markiert werden.

Donald zückte sein Handy und schrieb seiner Freundin. Die wollten sowieso vorbei kommen und auf dem Weg konnten sie auch gleich Zettel und Stifte besorgen. Die Antwort war vielversprechend. Die Mädels wollten sich gleich auf den Weg machen und demzufolge würde es nicht lange dauern, bis sie mit den benötigten Dingen ankommen würden.

Ankommen tat auch die Reinigungsfirma. Donald, der die Sache angeleiert hatte, fing an zu erklären. Unterbrochen wurde er natürlich immer wieder von Waldemar, wenn es um den Innenraum ging. Wirklich alles sollte sauber sein und wie er immer wieder betonte, auch keimfrei.

Die Arbeit begann, während Donald und Perry weiter Dinge vom Motor abbauten. Alles an Kabeln und Schläuchen, die offensichtlich nicht mehr zu gebrauchen waren. Alles kam säuberlich auf die Werkbank und Perry hoffte inständig, dass sie nach Ankunft der Mädels auch noch wussten, welches Teil welches war.

Die Reiniger liessen sich auch nicht lumpen. Waldemar, der sie mit Adleraugen im Blick behielt, war schon nach den ersten Minuten hoch zufrieden. Die beiden Männer fingen mit dem Innenraum an und was sie da an Hilfsmitteln einsetzen, war selbst für ein Waldemar verblüffend. Kleine, aber offensichtlich sehr starke Staubsauger kamen zum Einsatz und förderten selbst den Schmutz aus den Spalten der Sitze.

Als die Mädels schliesslich ankamen dachte Perry schlagartig nicht mehr an das Auto. Die stiegen aus und hatten Klamotten an, welche Perry noch nie gesehen hatte. Halbhohe Stiefel mit Absatz, Elena dazu eine knappe, schwarze Hotpants, während Claudia und Katja einen etwas längeren Mini trugen. Obenrum hatten alle jeweils nur einen BH an und darüber ein ärmelloses Hemd, welches unter den Brüsten zusammengeknotet war. Perry stockte der Atem.

Doch auch Donald machte grosse Augen. Er sah seine Freundin und sein erster Gedanke war, die Hütte gleich mal einzuweihen. Wäre Waldemar nicht vor Ort gewesen, der immer wieder durch seine pure Anwesenheit als Bremsklotz diente, wäre er mit Sicherheit auch für ein Nümmerchen verschwunden.

»Wie seht ihr denn aus?«

»War Elenas Idee Donald. Wir haben uns heute Morgen die Filmreihe von Vorne angeschaut und sie war der Meinung, wenn ihr jetzt auf Bad-Bodys macht, dann müssen wir ja die Grid-Girls spielen, oder?«

»Ihr macht mich echt fertig Schatz. Wie soll ich mich denn so aufs Autoschrauben konzentrieren?«

»Tja Schnabeltier, ein echter Bad-Boy denkt eben zuerst an sein Auto, dann an seine Frau!«

»Offensichtlich sind wir keine Bad-Boys Elena. Ich hätte da auch gerade andere Dinge im Kopf!«

Als Donald das gesagt hatte, räusperte sich einer der Männer im Auto. Elena kam sofort neugierig heran.

»Wow. Ist der Innenraum neu? Sieht auf jeden Fall so aus!«

Der Mann, der auf der Seite im Auto sass, an die Elena herangekommen war, war sichtlich verlegen. Immer wieder schielte er zu der jungen Frau, die das natürlich super lustig fand. Als dann Katja und Claudia auf die andere Seite kamen, um sich auch ein Bild der Lage zu machen, erging es seinem Kollegen nicht besser.

»Meine Damen, würdet ihr bitte ein wenig vom Fahrzeug zurücktreten? Ihr haltet die Reinigungsspezialisten offensichtlich von ihrer Arbeit ab!«

Die Mädels lachten, als Waldemar das sagte. Natürlich war das so ein bisschen ihr Plan, die Männer ins schwitzen zu bringen. Mehr jedoch nicht, denn die Reinigungskräfte gehörten nun nicht gerade in ihr Beuteschema.

Während sie also den Jungs dabei zuschauten, wie die zuerst die abgebauten Teile mit beschrifteten Zetteln versahen und schliesslich weiter Teil um Teil vom Motor abbauten, fiel Katja etwas auf. In vielen Situationen bewegte Perrys sich eigenartig. So, als hätte er Schmerzen. Doch tat das seinem Arbeitseifer keinen Abbruch. Dennoch, es war irgendwie komisch. Bislang hatte sie das nur einmal bei ihm erlebt und das war, nachdem sie ihn im Bett zu fordern begann. Da hatte er Muskelkater und auch da bewegte er sich hier und da so seltsam. Doch woher sollte er Muskelkater haben? An ihre Forderungen im Bett hatte er sich mittlerweile gewöhnt, daran konnte es also nicht liegen. War er etwa von der bisschen Arbeit, die er da am Auto leistete, schon so mitgenommen? In dem Fall würde das Auto noch eine echte Herausforderung für ihn werden.

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