Unrealistische Leistung

»Jetzt will ich wissen, was der Vogel wirklich drauf hat!«

Sagte Viper und hielt den Mach-Meter fest im Blick. Die Schubkraftregler standen auf Anschlag, die Luft in dieser Höhe war sehr dünn. Mit den alten Triebwerken war hier eine Geschwindigkeit von mehr als der fünffachen Schallgeschwindigkeit möglich.

Schon beim Start und dem Steigflug hatte sich aber abgezeichnet, dass der bisherige Rekord der Maschine jedoch fallen könnte. Dreifache Schallgeschwindigkeit bei einem solch radikalen Steigflug deutete auf jeden Fall daraufhin. Die Frage war nur, wohin würde sich die Grenze verschieben?

»Mach vier!«

Meldete Aisha. Benjamin zitterten die Hände vor Aufregung. Er schaute dabei weniger auf die Anzeige, sondern mehr auf Mario. Der hingegen hatte seine ganzen Anzeigen und Kontrollen fest im Blick. Dauernd wanderte sein Blick zu den vielen Zahlen, die ihm seine Station anzeigte und er schien ebenfalls eine gewisse Aufregung zu verspüren.

»Mach fünf!«

Kam schon relativ bald von Aisha.

»Jetzt wird es spannend!«

Merkte Viper an und sein Kopf bewegte sich ein wenig auf den Mach-Meter zu. Dieser drehte sich unaufhörlich weiter. Anscheinend nicht mehr ganz so schnell, wie von Mach vier auf fünf, doch schien er noch nicht an anhalten zu denken.

Wenn Benjamin es richtig sah, schaute Mario immer wieder zu einer bestimmten Anzeige. Die Temperatur der Aussenhaut der Maschine. Auch die stieg kontinuierlich an und hatte schon über 300 Grad Celsius erreicht.

»Probleme Mario?«

»Nein Ben. Noch nicht!«

Das beruhigte Benjamin etwas. Er war ja nicht gerade dumm und verstand genug von Physik um zu wissen, dass die steigende Geschwindigkeit eine immer grössere Reibung der Luft an den ihr ausgesetzten Teilen der Maschine bewirkte, was ein immer schnelleres Ansteigen der Temperatur zur Folge hatte. Er wusste, dass Aisha den Vogel gegen so etwas präpariert hatte, doch wo die Grenze lag, dass wusste er nicht.

»Mach sechs!«

War Aishas nächste Ansage. Ihre Stimme schien dabei etwas aufgeregter als zuvor.

»Okay Leute. Damit würde ich mal sagen, haben wir die letzten Zweifel wegen dem neuen Antrieb ausgeräumt.«

Viper schien zufrieden, behielt die Anzeige trotzdem noch im Blick. Sie kletterte weiter, hatte jedoch schon schon wieder viel an Tempo verloren.

Es herrschte Stille im Cockpit. Aisha und Viper klebten am Mach-Meter, Mario immer mehr an der Temperaturanzeige, während er von Benjamin mit Argusaugen beobachtet wurde. Er hatte den Eindruck, die Zeit, welche die Maschine zum beschleunigen brauchte, verdoppelte sich seit Mach drei jedes Mal.

»Mach sieben!«

Marios Blick klebte mittlerweile an der Temperatur.

»Mach Feierabend!«

Rief er.

»Warum? Da geht noch was!«

»Klar Viper! Wir sind bei über 700 Grad Celsius und wenn du so weiter machst, fangen die Kanten an zu schmelzen! Also wenn du nicht erleben willst, wie die Nase weg fliegt, oder die Tragen abbrechen, machst du jetzt Schluss!«

»Ach Mario, sei mal cool!«

»Nein, er hat Recht Viper! Wir sind schon über der Sicherheitstoleranz! Nimm den Schub zurück, oder ich mache es!«

Benjamin spannte sich an. Auch für ihn war die Temperatur erschreckend hoch und da er nicht wusste, mit welchem Material das Flugzeug konstruiert worden war, machte er sich grosse Sorgen.

»Ihr seit echte Spassbremsen!«

Knurrte Viper und zog die Schubkraftregler zurück. Der Mach-Meter stoppte und fing an sich in die entgegengesetzte Richtung zu drehen.

»Was heisst Spassbremse? Ich hab keine Lust, wie ein Meteor zu verglühen!«

»Ach komm schon. Noch ein bisschen und wir hätten den Weltrekord der X-15 geknackt.«

Aisha schaute zu Viper.

»Dir ist aber klar, dass die X-15 damals einen ablativen Hitzeschild hatte und trotzdem ein Totalschaden war, als sie wieder gelandet ist? Mach dir mal keine Sorgen. Der Rekord wird fallen. Ich hab schon ein paar Ideen, wie wir das mit der Temperatur abmildern können.«

»Wasserkühlung?«

Fragte Mario.

»Genau. Wir haben immerhin noch viele Tanks an Board, die wir ja nicht mehr nutzen. Pumpen sind auch vorhanden. Also sollten wir daraus ein Kühlsystem bauen können. An allen Teilen, die besonders betroffen sind. Brauchen wir nur noch einen Wärmetauscher.«

»Rumpf und Tragflächen?«

»Rumpf sollte reichen, schätze ich mal.«

Benjamin verstand den Plan noch nicht so ganz, doch die Temperatur kletterte nicht weiter und fing sogar an langsam zu sinken.

Überraschenderweise verzichtete Viper auf Kunstflug. Er brachte die Maschine zu ihrem Flugplatz zurück und brachte sie in den Landeanflug. Die Bahn war schon voraus und die Höhe auf unter 500 Fuss gesunken.

»Bevor wir landen will ich aber noch etwas wissen.«

»Was denn?«

Fragte Mario.

»Wie sich die Kiste verhält, wenn ich kurz vor dem Aufsetzen wieder vollen Schub gebe.«

In ihrer Eigenschaft als Co-Pilot behielt Aisha die Anzeigen im Blick.

»Warum?«

»Weil ich die Durchstartfähigkeit wissen will.«

Da keine Einwände erhoben wurden, machte sich Benjamin keine Sorgen. Er wartete ab, während Aisha die Höhe runterzählte.

»50, 40, 30, 20«

Zählte sie, was ein baldiges Aufsetzen ankündigte. Doch bei zehn drückte Viper die Schubkraftreglern wieder nach vorne und zog die Nase hoch.

Die Beschleunigung war übertrieben. Benjamin wurde in die Rückenlehne und die Sitzfläche gepresst. So stark, dass die Haut in seinem Gesicht nach unten und hinten gezogen wurde und er aussah wie ein schmelzendes Monster. Dann gingen bei ihm die Lichter aus.

Als er wieder zu sich kam, verstand er zuerst gar nicht, was eigentlich los war. Die Maschine schien sehr langsam zu sein und zu rollen.

»Sind wir gelandet?«

Fragte er mit schwacher Stimme. Viper lachte.

»Guten Morgen! Haben wir gut geschlafen?«

»Sehr komisch. Wirklich sehr komisch!«

Knurrte Benjamin.

»Mach dir nichts draus Ben. Ich hab es auch nur knapp überstanden.Das war deutlich heftiger, als ich gedacht habe.«

»Irre war es! Vom langsamen Landeanflug übergangslos zur Rakete. Das Ding ist der helle Wahnsinn!«

Aisha nickte ihm zustimmend zu.

Ein paar Minuten später hatte die Maschine ihre Parkposition erreicht und es ging los mit der Checkliste zum abschalten. Benjamin, der dabei nicht helfen konnte, schnallte sich ab und ging nach hinten. Der Test war ein voller Erfolg und er wollte nun die Meinung von Waldemar wissen, der mit den Mädels hinten gesessen hatte.

Doch als er die Kabine erreichte, klatschte Jana immer wieder auf Waldemars Wange. Nicht gerade zimperlich.

»Was ist denn hier los?«

Kim schien amüsiert.

»Das Hündchen hält nichts aus. Das ist passiert. Der hat eben kurz gejammert, seither ist er weggetreten.«

Benjamin wusste nicht genau, ob er amüsiert oder besorgt sein sollte. Er hatte jedoch eine Idee.

»Geh ihm an den Schwanz Jana!«

Die schaute kurz zu Benjamin und griff Waldemar dann wirklich in den Schritt. Seine Augen öffneten sich weit. Doch anstatt zu Meutern packte er Jana an ihrem Assi-Dutt, zog sie an sich heran und drückte ihr die Zunge. Jana wehrte sich.

»Hallo? Gehts noch?«

Waldemar schaute sich verwirrt um, schüttelte sich dann und sein Gesicht wurde gewohnt emotionslos.

»Entschuldige, liebe Jana. Ich habe das Gefühl, in mir hat sich für ein kurzer Moment der Überlebensinstinkt gemeldet.«

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