Probleme in der Luft

»Und das ist kein Problem, wenn uns ein Triebwerk fehlt?«

Fragte Benjamin besorgt. Mario lachte.

»Es wäre kein Problem, wenn uns drei Triebwerke fehlen würden.«

Irgendwie klang das jedoch für Benjamin so, als wollte Mario ihn nur beruhigen.

»Versteh ich nicht. Warum hat das Ding dann vier davon?«

»Im Normalfall ist das eine Art von Sicherheitssystem. Schau dir mal Flugzeuge an. Langstreckenmaschinen, die lange über Wasser unterwegs sind, haben fast immer vier Triebwerke. Denen würden aber normalerweise auch zwei reichen. Zwei bedeuten aber, du darfst maximal eins verlieren, sonst wird die Gravitation uncool. Also baut man vier ein. Die sind dann natürlich nicht mehr so effizient, da es mehr Gewicht und mehr Verbrauch bedeutet. Aber, du kannst eben drei verlieren und mehr mehr du an Verlust kompensieren kannst, desto unwahrscheinlicher wird es, dass du notlanden musst.«

Okay. Das leuchtete Benjamin dann ein. Aber Mario war noch nicht fertig.

»Bei der Concorde damals spielte aber auch noch die angepeilte Geschwindigkeit eine Rolle und eine Maschine, mit diesem Gewicht auf doppelte Schallgeschwindigkeit zu bringen, da braucht man eben Power. Trotzdem, die Concorde konnte auch Triebwerke verlieren und dennoch sicher weiterfliegen. Nur eben nicht mehr mit der Geschwindigkeit.«

»Also haben wir wirklich kein Problem?«

»Nein Ben. Wir haben wirklich kein Problem. Bei uns musst du dazu noch bedenken, wir haben viel, viel mehr Power, als wir eigentlich brauchen. Eben weil wir diese hohe Geschwindigkeit erreichen können und die kurze Startstrecke. Unsere Triebwerke haben tatsächlich so viel Power, dass wir mit nur einem ganz normal starten, einen ganz normalen Unterschallflug unternehmen und sicher landen könnten. Gut, nur mit Triebwerk eins oder vier wäre es etwas nervig, da man da stark die Bewegung um die Z-Achse korrigieren müsste, aber es wäre trotzdem problemlos möglich. Eben weil wir viel mehr Power haben, als benötigt.«

Das beruhigte Benjamin tatsächlich. Aber auch Jana trug zu seiner Beruhigung bei. So locker und entspannt sie auf ihrem Sitz sass und nach draussen schaute, konnte ihr Leben tatsächlich nicht in Gefahr sein.

»Kann ich dich mal was fragen Otto?«

Fragte Jana, ohne ihren Blick aus dem Fenster zu ihm zu wenden.

»Klar Jana.«

»Wenn wir hier schon von mehr Power sprechen, als notwendig ist. Du hast ja so einen riesigen Rüssel. Schon alleine das hätte das Interesse manch einer Dame wecken müssen. Wir kommt es, dass du trotzdem so erfolglos warst, die ganzen Jahre?«

Benjamins Stirn schlug Falten. Diese Frage verstand er nicht und konnte deshalb mit einer Gegenfrage antworten.

»Hast du mich mal angeschaut?«

Nun drehte Jana doch ihren Kopf und musterte Ben, so gut es bei den Lichtverhältnissen war.

»Ja, hab ich. Du bist jetzt nicht gerade eine Schnitte, aber prinzipiell sehe ich auch nichts abstossendes.«

Benjamin war mal wieder verwirrt. Seit er da in der Gasse gerettet wurde, schienen die Frauen ihn anders wahrzunehmen und das ergab keinen Sinn.

»Aber irgendwas stimmt ja wohl mit mir nicht.«

»Genau! Und ganz genau das war ja auch meine Frage. Ich kenne dich jetzt noch nicht so wirklich lang und kann mir auch vorstellen, dass du es nicht ganz einfach hast. Aber generell erfolglos würde ich dich nicht einschätzen.«

»Ich weiss ja auch nicht.«

Mario hatte eine Antwort.

»Du bist einfach zu schüchtern und hast ein zu geringes Selbstwertgefühl. Das ist eine fiese Kombination.«

»Wundert dich das? Wenn sich nie jemand für dich interessiert, dann ergibt sich das von selbst.«

Jana schüttelte den Kopf.

»Das kannst du doch gar nicht wissen!«

Wieder legte Benjamin verwirrt die Stirn in Falten.

»Was?«

»Na ob sich wirklich nie eine für dich interessiert hat. Ich stelle mir das bei dir so vor. Du lernst neue Leute kennen, unterhältst dich vielleicht auch mit denen und gehst davon aus, gerade die Mädels haben kein Interesse an dir. Also machst du auch nichts. Du erwartest, dass eine kommt und dich anbaggert. Aber soll ich dir was sagen? Unser Haufen hier ist da eine grosse Ausnahme! Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in deinem Leben wahrscheinlich sogar ein paar Frauen gab, die sich mit dir etwas hätten vorstellen können. Aber da du nie was gemacht hast, kam von denen auch nichts.«

Diese Worte deprimierten Benjamin zutiefst. Wenn Jana damit Recht gehabt haben sollte, dann hatte er vielleicht wirklich ein paar Chancen vertan und sein langer Leidensweg war hausgemacht.

»Denkst du wirklich?«

Bevor Jana jedoch antworten konnte, gab es einen sehr lauten Knall und die Maschine vibrierte an allen Ecken. Dazu fing sie an, nach Rechts zu rollen und ein fieser Alarm ertönte. Jana griff sofort nach dem Steuerhorn und wirkte der Rollbewegung entgegen.

»Was war das Mario?«

Rief sie laut, um den Alarm zu übertönen. Mario schaltete ihn ab.

»Weiss ich noch nicht! Aber Triebwerk vier brennt! Schalt es ab, damit ich den Feuerlöscher starten kann! Ben, räum den Platz, Viper muss da hin!«

Benjamin war vor Angst wie erstarrt. Er musste alles an Überwindung aufbringen, um die Gurte zu lösen und den Platz zu verlassen. Dazu zitterte die ganze Maschine noch mehr als er.

Jana zog den Schubkraftregler zurück und schaltete das Triebwerk ab. Aber nicht so, wie das erste Triebwerk, welches ausgefallen war. Dieses Mal musste sie am Deckenpanel erst den Schutz von einem Schalter öffnen, bevor sie den umlegen konnte.

»Fertig! Triebstoffzufuhr zu Triebwerk vier gesperrt!«

Sofort begann Mario damit, an seinem Terminal Schalter umzulegen und dann einen grossen, roten mit einer vier beschrifteten Schalter zu ziehen. Genau in dem Moment erreichte Benjamin seinen Sitz und Viper das Cockpit. Er war bleich wie die Wand.

»Welches Triebwerk?«

»Die Vier brennt. Jana hat es schon abgeschaltet und ich den Feuerlöscher betätigt.«

Beeindruckend gewandt schwang sich Viper auf seinen Platz.

»Das ist uns um die Ohren geflogen. Ihr habt doch vorhin schon eins abgeschaltet, oder?«

Jana gab Antwort.

»Ja, die Drei.«

Hektisch prüfte Viper seine Instrumente.

»Klasse. Also Steuerbord ist komplett tot?«

»Ja. Die Drei haben wir aber nur zur Sicherheit abgestellt. Wenn du das brauchst, kann ich es wieder hochfahren.«

»Im Moment nicht Jana. Mario, was ist mit dem Feuer?«

Mit seiner Frage zog Viper den Schubkraftregler für Triebwerk eins ganz zurück.

»Ist anscheinend unter Kontrolle. Die Warnmeldung ist aus und die Temperatur fällt.«

»Gut. Genau aus dem Grund wollte ich nie wieder ein Flugzeug fliegen!«

»Jetzt stell dich nicht so an, ist keiner gestorben!«

»Noch nicht Mario! Aber wie du vielleicht weisst, ist Sam auch erst am Boden gestorben!«

Das verstand Benjamin mal wieder nicht. Aber ihm war auch klar, dass es der falsche Zeitpunkt für eine Recherche war.

»Okay. Mario, wo sind wir, wo können wir zur Not landen? Jana, ich fliege. Prüf du die Instrumente und behalt eins und zwei im Auge.«

»Alles klar, dein Flugzeug.«

Benjamin war fasziniert, wie gut die Kommunikation in dieser Situation lief. Waren tatsächlich alles Profis.

»Gibt drei mögliche Flughafen. Etwa 50, 110 und 230 Kilometer.«

»Und wie weit sind wir noch von daheim weg?«

»Ich hätte dich in 15 Minuten für den Landeanflug gerufen.«

Viper schien kurz nachzudenken.

»Okay. Wir haben also Optionen. Ich würde eine Landung bei uns bevorzugen. Lasst uns schauen, dass wir das geregelt kriegen. Jana, schalt den Autopilot ab, wir müssen ein paar Manöver fliegen, um den Schaden zu bewerten. Mario, du checkst, was alles hinüber ist.«

Jana schaltete den Autopilot ab und sofort begann Viper damit, Kurven zu fliegen, die Nase zu heben und zu senken.

»Okay, ist träge, aber funktioniert alles.«

»Steuerboard ist die Hydraulik futsch. Sonst scheint alles in Ordnung zu sein.«

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