Benjamins Lernphase

Schliesslich ging es los. Auf Anraten von Viper sollte zuerst eine kleine Version des Generators gebaut werden. Da war es einfacher, die benötigten Teile zu organisieren und wie er sagte, Magnete mit entsprechend Tesla könnten ganz schön gefährlich werden. Deshalb bestand er auch darauf, dass mit den Magneten so umgegangen wurde, als wären es die finalen Varianten. Es galt also, die Magnete nie mit der Hand, sondern immer nur mit Werkzeug zu berühren und dafür Sorge zu tragen, dass sich nie etwas zwischen den Magneten befand. Zwar mutete das ein bisschen eigenartig an, da die verwendeten Magnete locker per Hand getrennt werden konnten, aber Vipers energische Ansprache, er wäre sofort weg, wenn man sich nicht an seine Sicherheitsvorschriften hielt, zeigte Wirkung.

Ganz schnell zeigte sich aber noch etwas. Ein Viper, ein Waldemar und eine Kim zusammen bedeutete Mord und Totschlag. Waldemar wusste natürlich alles am Besten. Kim widersprach ihm gerne, denn sie war kein besonders grosser Freund von diesen theoretischen Modellen. Die entsprachen aber wiederum genau dem, was Benjamin da angeleiert hatte und der blieb ebenfalls bei seiner Meinung und wurde von Mario gestärkt.

Viper hingegen hatte auf dieses ganze Zahlengejammer und die ganzen Formeln keine Lust. Klar, er nutze sie auch, aber sah die Ergebnisse nicht als unumstösslich an. Es waren lediglich die Werte, die in einem perfekten System auftreten würden. Aber, perfekt war in der Praxis eben nichts. Reibung, Luftwiederstand, nicht ganz homogene Magnetfelder durch Materialfehler, ein wenig falsch angeordnete Spulen und schon war das tolle Ergebnis zum Teufel.

Es gab ganz besonders einen Streitpunkt. Die Abwärme. Während Benjamin, Waldemar und Mario die anscheinend nie berücksichtigten, was Viper gerade bei Mario wirklich merkwürdig fand, war genau dieser Umstand für Viper und Kim das grösste Problem. Wärme entstand durch Reibung und Reibung bedeutete Verluste. Um also die Werte zu erreichen, auf die Benjamin, Waldemar und Mario so bestanden, hätte der Generator im Betrieb nicht um ein winziges Grad irgendeiner Temperatureinheit steigen dürfen.

Recht schnell musste Benjamin erkennen, so schön der Plan ja auch war, so gut Lori alles berechnet hatte, hier gab es weit grössere Probleme mit undefinierbaren Variablen. Menschen! Er verstand es ja selbst nicht, aber er sah es jedes Mal ein, wenn Viper von der Temperatur anfing. Hatte er dann aber wieder die Berechnungen vor Auge, schien die Abwärme keine Bedeutung mehr zu haben.

Schlussendlich kam Benjamin bald schon zu dem Schluss, dieses Projekt war zum scheitern verurteilt. Hier war zwar alles, was für die Realisierung notwendig war, doch schienen die schlauen Köpfe einfach nicht kompatibel.

Es reichte dabei auch nicht, dass sich die Theorie immer wieder gegen die Praxis zur Wehrsetzen musste. Nein! Ab und zu wechselte Viper auch ins Lager von Mario und verteidigte dessen Meinung gegen Waldemar und Kim. Oder Waldemar und Viper verbrüderten sich. Irgendwo war da einiges unlogisch.

Einige Tage waren auf diese Weise schon ergebnislos ins Land gegangen. Alles an Material und Ausrüstung war vorhanden. Auch die versprochenen Nanoröhrchen waren da. Doch kaum waren alles zusammen und es stand die Frage im Raum, wie es denn losgehen solle, gab es sofort Streit. Der eskalierte dann immer so heftig, dass der Feierabend kam und nichts passiert war.

Nachdem Benjamin das einige Zeit beobachtet hatte, hielt er es an einem Tag nicht mehr aus und ging nach draussen. Eigentlich hatte er kein wirkliches Ziel, er wollte nur weg von den Anderen und lief in Richtung Hubschrauber, der unter seinem Tarnnetz echt schwer zu sehen war.

Kaum war er dort, erschrak er, als da eine Männerstimme zu hören war.

»Na? Läuft nicht so ganz nach Plan, oder?«

Benjamin schaute sich um. Hinter ihm stand Pascal. Aber, wie war das möglich? Der konnte sich nicht unbemerkt angeschlichen haben! Hier war alles so still, dass man jeden Schritt hören konnte. Ausserdem kam ein kleines bisschen Wind aus Richtung Werkstatt, also hätte Benjamin Pascal hören müssen. Er beruhigte sich aber schnell wieder.

»Nicht ganz nach Plan? Das wäre ja noch schön. Aber, es läuft gar nichts! Wir streiten uns nur. Viper und Kim sagen, es wird nicht funktionieren, Mario, Waldi und ich behaupten das Gegenteil. Wir haben alles da, wir könnten sofort loslegen. Dann wüssten wir, ob es funktioniert. Dann könnten wir vielleicht auch aufzeigen, wo man etwas verbessern muss. Aber nein, wir streiten nur.«

Pascal lächelte.

»Das ist mir klar. War auch nicht anders zu erwarten.«

Benjamin machte grosse Augen war war verwundert.

»Wie bitte? Hast du mich nicht ermutigt? Nicht Waldi und Mario überzeugt?«

»Ja und? Dazu stehe ich auch nach wie vor.«

»Okay? Das verstehe ich dann nicht. Wie kannst du dazu stehen, aber gleichzeitig wissen, dass es nicht funktioniert?«

Pascal verschränkte die Arme.

»Ich habe nie gesagt, es würde nicht funktionieren! Alles, was ich gesagt habe war, es war zu erwarten, dass es Streit gibt.«

Benjamin schüttelte den Kopf.

»Super. Ich habe zwar ein revolutionäres Konzept, aber es wird nicht realisiert. Irgendwie ja bescheuert!«

Nun schüttelte Pascal den Kopf.

»Mensch Junge! Verstehst du es denn nicht? Es ist dein Projekt! Die Anderen sind nur deine Helfer. Aber, du verhältst dich nicht so! Du führst nicht an. Geh da rein und bestimme, dass ihr anstatt zu labern loslegt.«

Benjamin hob abwehrend die Arme und wich sogar ein kleines Stück zurück.

»Ich? Bist du bescheuert? Hast du mal Viper gesehen? Der zerpflückt mich in Einzelteile und gibt mich dann Kim zum spielen.«

Und wieder schüttelte Pascal den Kopf.

»Warum denkt eigentlich jeder, dass Viper so ein brutaler Mensch ist? Ja, er kann, wenn er will. Aber normalerweise ist der total friedlich.«

Benjamin zog eine Augenbraue hoch.

»Hast du dir mal die Videos von den Wochenenden angeschaut?«

Pascal lachte.

»Ich bin da sogar meistens anwesend! Du meinst also, wenn Viper gegen Janine verliert?«

Benjamin nickte.

»Meine Güte. Warum macht Viper das? Warum will er Frauen schlagen? Ganz einfach! Weil er sauer ist und Dampf ablasssen will. Die Chance, Janine zu treffen, sind astronomisch klein und falls doch, wird sie sich entsprechend dafür bedanken. Ja, Viper kann ganz schön böse werden und von ihm eine geklatscht zu kriegen ist auch nicht erstrebenswert. Aber. Nur, weil du da drin den Ton angibst, wird er nie die Hand gegen dich heben. Darauf gebe ich dir mein Wort!«

Wirklich beruhigend fand Benjamin das nicht.

»Und wenn er sich an deinem Wort nicht stört, wie willst du ihn davon abhalten, wenn du nicht da bist?«

Benjamin bekam fast einen Herzinfarkt. Eben noch sah er Pascal vor sich stehen, schon war er verschwunden und flüsterte ihm von hinten was ins Ohr.

»Vertrau mir einfach!«

Als Benjamin sich umdrehte, war Pascal weg. Einen Moment lang dachte er daran, er würde den Verstand verlieren oder wäre in der Gasse doch ins Koma geprügelt worden. Doch als er auf den Boden schaute waren da eindeutig Fussspuren im Staub. Pascal war also da gewesen.

Nun gut. Wenn Pascal ihm sein Wort gab, würde da schon was dran sein. Trotzdem schlug ihm das Herz bis zum Hals und er wünschte sich Janine, oder Katja an seiner Seite. Half aber alles nichts, da musste er jetzt durch. Also ging er bis zu dem grossen Planungstisch, wo alles an Material und Aufzeichnungen lag und während alle munter stritten, schlug er auf die Tischplatte und tat sich natürlich dabei weh.

Verwundert drehten sich alle zu ihm und sahen ihm zu, wie er sich die Hand rieb.

»Jetzt hört mir mal genau zu! Das ist mein Projekt! Ja, Viper und Kim. Vielleicht habt ihr Recht! Vielleicht haben aber auch Mario, Waldi und ich Recht. Aber, wir werden es nie erfahren, wenn wir es nicht versuchen! Selbst wenn ihr dann Recht habt, wer sagt denn, dass wir dann nicht eine Schwachstelle finden, die wir ausmerzen können? Komme wer da wolle. Solange wir nur hier stehen und diskutieren passiert gar nichts! Wir fangen jetzt an. Punkt!«

Viper schaute Benjamin direkt in die Augen und der malte sich schon in Gedanken aus, wie Janine ihn im Krankenhaus, wo er in einem Ganzkörpergips lag, besuchte und ihm Trinken mit Strohhalm hinhielt. Doch nein. Viper drehte sich zu den Anderen, nickte ihnen zu und alle fingen an zu arbeiten.

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