Pyramiden die Zweite

Tourist spielen. Offensichtlich etwas, was die Freunde sehr gut konnten. Mario und Waldemar waren es, welche die Gruppe direkt mal von der grossen Pyramide ablenkte. Erst kamen die Beiden anderen an die Reihe, dann die Sphinx, die Tempelanlagen, sie besuchten das hölzerne Schiff und stellten fest, hier gab es wirklich unendlich viel zu entdecken. Katja versuchte sich dabei immer vorzustellen, wie es wohl damals war, hier zu leben. War es wirklich, wie man es in der Schule gelehrt bekam und hier gab es nur die Oberschicht und Sklaven? Oder gab es hier doch freie Arbeiter?

Viper stand am Fuss der grossen Pyramide und dachte an etwas anderes. Ihm war klar, dass man in den heutigen Zeiten durch genug Geld alles erreichen konnte. Hatte man Geld, hatte man Macht. Wie oft war ihm dieser Umstand schon vor Augen geführt worden. Er selbst hatte ja Geld und wenn er etwas wollte, auch wenn es schwierig schien, nahm er genug von seinem Geld in die Hand, bekam er es. Die Mädels zeigten es mit ihrem Geld auch. Heute hatte man also Macht, wenn man Geld hatte.

Als er jedoch hier, am Fusse der Pyramide, stand und nach oben schaute, sich dabei dann auch noch vorstellte, dass hier nicht vom günstigsten Anbieter mit den günstigsten Materialien gearbeitet wurde, verstand er, was wirkliche Macht bedeutete! Der Pharao wollte es, also wurde es getan. Im Prinzip war es so wie damals, als er seine Viper baute. Er wollte sie, er baute sie und zwar nach Qualität und nicht mit den kostengünstigsten Komponenten.

Amy liess etwas Kohle springen, damit sie eine private Führung bekamen. Etwas Kohle sollte man in dem Fall nicht zu klein bemessen, andere Menschen hätten sich dafür wahrscheinlich ein Auto gekauft. Doch Amy wusste genau, Mario würde an jedem noch so unbedeutenden Etwas stehenbleiben und es prüfen wollen. Dadurch dann eine ganze Reisegruppe aufhalten, fand sie einfach nicht in Ordnung.

So kam es dann auch. Mario und Waldemar waren keine zwei Meter in das Monument vorgedrungen, als sie schon anfingen die ganzen Steine begutachteten, die beim Bau des Grabräuberganges beschädigt wurden. Nirgendwo konnte man das Mauerwerk besser bewundern, als hier und das nutzten die Beiden natürlich schamlos aus.

Entsprechend lang dauerte es, bis die Gruppe den eigentlichen Gang erreichten. Sofort stellten sich Alle eine Frage. Warum baut man so? In den anderen Pyramiden konnte man stehen und die Gänge waren eben. Warum hier so bescheuert? In der Hocke musste man hindurch kriegen und dabei hing es auch noch steil bergauf! Machte das Sinn? Wie sollte man hier denn standesgemäss den Pharao transportieren? Den über den Boden schleifen, war ja wohl sicher nicht das, was er sich da gewünscht hatte.

Dann erreichten sie jedoch die grosse Galerie und beeindrucktes Staunen machte die Runde. So bescheuert eng der Gang bisher war, so übertrieben war er jetzt. Was genau machte das nun wieder für einen Sinn?

Genau diese Frage stellte schliesslich Janine dem Führer. Der stand schon auf dem mittlerweile eingebauten Aufstieg mit Geländer und fing an eine Theorie zu erklären. Nach dieser könnten sich, wahrscheinlich aus Gold gefertigte Tafeln als Verkleidung hier befunden haben, welche die Geschichte des Pharao zeigte. Das wäre auch eine gute Erklärung dafür, warum man sonst keine Inschriften in diesem mächtigen Bauwerk findet, obwohl andere Gräber damit übersät sind.

Diese Erklärung schien einleuchtend, schlüssig und wurde akzeptiert. Bis auf Mario und Waldemar. Die fanden da mehr als genug Unstimmigkeiten. Zum Beispiel, warum diese Gänge? Dieser steile Aufstieg? Diese Enge auf der Einen und diese Übergrösse auf der anderen Seite? Die Gänge konnte man noch als Einbruchsschutz ansehen. Aber auch das fanden die Beiden nicht schlüssig. Es konnte jedoch erklären, warum nur diese Pyramide auf diese Weise gebaut wurde. Vielleicht war es ein Modellversuch, der dann doch schiefgegangen war. Doch auch hier war es den Beiden nicht geheuer, denn soweit man ja wusste, wurde die grosse Pyramide erst viel später geplündert. Ergo, man konnte gar nicht wissen, ob diese Sicherheitsvariante nun etwas nutzte, oder nicht.

Ausserdem fand Waldemar die ganzen Anordnungen merkwürdig. Er würde sich das zwar alles noch auf Plänen anschauen, aber schon jetzt hatte er den Verdacht, die Gänge, deren Abmessungen und das alles seien nicht zufällig so gewählt worden. Auch der Stein, welcher den aufsteigenden Gang verschloss, musste nach seiner Meinung nicht die Funktion gehabt haben, die man ihm zuschrieb. Ja, er verschloss den Gang. Aber nach Waldemars Meinung nicht, um Eindringlinge aufzuhalten.

Oben angekommen war dann das nächste Hindernis, was unlogisch erschien. Man musste einen Absatz erklimmen, um in die Grabkammer zu gelangen. Das musste man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Baumeister von damals hatten genug Fertigkeiten zusammengebracht, um dieses Bauwerk zu planen, das Fundament zu glätten, die Winkel einzuhalten usw. Das hatte alles funktioniert. Dann machten sie aber einen Planungsfehler, so dass dieser Absatz entstand? Falls dem so war, dann waren wahrscheinlich Köpfe gerollt. Doch dann wäre da auch jemand gewesen, der es korrigiert hätte. War es also Absicht? Wenn ja, wie kam man auf diese bekloppte Idee?

Rebekka sah oben den Eingang zu den Entlastungskammern. Dort wollte sie sich auch noch umschauen, denn angeblich fand man ja nur dort Hieroglyphen und um die rankten sich Diskussionen. Immer wieder wurden sie herangezogen und als Fälschung deklariert, um die Pyramide jemandem zuzuordnen, der sie gar nicht gebaut hatte. Rebekka wollte es gerne mit eigenen Augen sehen, ob da nun wirklich Farbreste auf dem Boden unter der Kartusche waren und ob die vielleicht so aussahen, als wären sie schon damals entstanden. Doch so weit war die Gruppe noch nicht.

Nun wurde mit Stolz die Vorrichtung gezeigt, über welche drei grosse Steine abgesenkt werden konnten, damit auch wirklich niemand in die Grabkammer gelangen konnte. Angeblich ein gebräuchlicher Vorgang.

Waldemar stand da oben und schaute in den engen Schacht am Fusse der grossen Galerie zurück. Dort unten gab es noch so einen Stein. Aber nur einen! Hier drei. Warum? Unter Umständen gab da dann auch der Absatz einen Sinn. Man wollte vielleicht den Eindruck erwecken, die grosse Galerie war lediglich für die Geschichte des Pharao gedacht und weiter oben ging es gar nicht weiter! Vielleicht erklomm man noch den Absatz, merkte dann aber, da ging es nicht weiter. Vielleicht würde man dann noch versuchen, den ersten Stein zu brechen, doch wenn der weg war ging es immer noch nicht weiter. Ergo, eine Sackgasse. Kein Grund weiter seine Zeit zu verschwenden!

Nun, es war ein blöder Gedanke. Wenn hier mit Tarnung gearbeitet wurde, hätte man nicht noch einen Gang angedeutet. Ausserdem war zwischen den Steinblöcken etwas Platz. Nein, damit konnte man passionierte Grabräuber nicht in die Irre führen. Aber, warum baute man dann so?

Schliesslich erreichte die Gruppe die Königskammer. Schön auf allen Vieren. Als sie darin waren, staunten sie nicht schlecht. Weniger wegen der Kammer, sondern mehr darüber, wie viel Flüssigkeit sie auf dem Weg hier her verloren hatten! Jeder war komplett durchgeschwitzt, die Haare klebten und man fand an den polierten Steinen der Kammer durch die gewitzten Hände keinen Halt.

Wieder dachte Mario daran, dass da etwas nicht stimmte. Machte es Sinn, so einer Tortur von den Trägern des toten Pharao abzuverlangen? Ihn schwitzend und keuchend hier her zu schleifen? Das ergab einfach keinen Sinn! Zudem, normalerweise waren die Grabkammern doch reichhaltig verziert. Warum war diese glatt poliert?

Dann kam der Sarkophag. Gut, der war beschädigt, aber das wusste man ja. Doch, wo war der Deckel? Angeblich wurde der von den Grabräubern entfernt. Als der Führer das erzählte, schaute sich Elena um. Okay, er wurde herunter genommen. Das war klar. Aber, wo war er hin? In einem Stück passte der nicht durch den schmalen Zugang. Sollte das heissen, die Grabräuber haben ihn erst zerkleinert und dann den beschwerlichen Weg nach unten getragen? Wenn ja, aus was bestand der? Pures Gold? Das hätte irgendwo noch Sinn gemacht, aber Rosengranit? Da gab es einfachere Wege, so etwas in seinen Besitz zu bringen.

Waldemar fiel auf, dass da ein Gitter auf dem Boden war. Das würde er sich auch noch genauer anschauen, denn auch das ergab irgendwo seinen Sinn. Aber nicht in der Weise, wie die Schulweisheit es sagte! Nein, für Waldemar ergab sich da ein ganz anderes Bild, was er jedoch noch nicht nennen wollte. Erst wollte er Pläne studieren, vielleicht alles im Computer einspeisen und dann prüfen, ob seine Theorie korrekt war. Wobei ihm auch noch auffiel, in der Decke hatte einer der gewaltigen Steine einen Riss. Auch das passte in seine Vermutung. Eigentlich konnte er es gar nicht erwarten, sich an die Arbeit zu machen.

Tatsächlich waren aber auch die Anderen an dem Punkt angelangt, wo sie gerne nach draussen wollten. Es gab noch mehr zu sehen, aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Erst mal hier raus, zurück zum Flugzeug und duschen. Dann konnte man weitersehen.

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