Zwischenstopp Heinzfort

Irgendwie war dieser Vogel ja schon deprimierend. Wenn man alles startklar machte, also auch Essen und so verstaute, kam so ein bisschen Urlaubsfeeling auf. Wenn man eine länger Strecke unterwegs ist, dabei dann was isst, sich unterhält, was von der Landschaft sieht und so weiter. Das war auch so bei den Mädels gewesen, als sie den Weg nach Neunburg antraten, wobei 30 Minuten Fahrt nun auch nicht gerade die Welt waren. Bei Amy, Janine und Rebekka war es damals schon eine andere Hausnummer gewesen, als sie zum ersten Mal zu Viper fuhren und immerhin vier Stunden unterwegs waren.

Aber mit diesem Flugzeug? Sie starteten in New Apple, es ging auf Höhe und das Zeichen für die Gurte verschwand. Erst sassen alle noch auf ihren Plätzen, hier und da schauten sie raus, oder gingen auch mal aufs Örtchen. Als jedoch Amy, wer auch sonst, in die Küche ging und sich ihr erstes Essen warm machte, standen die Anderen sofort hinten dran.

Amy hatte ihr Essen, Janine, Katja, Donald, Claudia und Perry ebenso, als Rebekka an der Küche vorbei ins Cockpit ging. Sie dachte eben an die Drei da vorne, die den Flug unter Kontrolle hatten und die wollten ja wohl auch etwas essen. Doch als sie fragte, was denn von dem reichhaltigen Angebot gewünscht war, sagte Viper nur ganz locker, es würde sich nicht mehr lohnen, sie würden gleich mit dem Landeanflug anfangen.

Das bedeutete nichts anderes als, die hinten mussten sich beeilen, um noch alle ihr Essen zu bekommen. Sie waren schon auf der Zielgerade und das in nicht einmal ganz einer Stunde.

Katja und Amy entdeckten dabei wieder eine Gemeinsamkeit. Sie waren Beide von der Sorte, für die bei Ausflügen die Reise selbst auch sehr wichtig war. Aber mit diesem Flugzeug war ja fast alles ein Katzensprung. Irgendwie nahm das etwas von der Reiselust.

Spielte alles weniger eine Rolle. Aisha demonstrierte erneut, dass selbst Flughäfen mit eher kurzer Landebahn für diesen Vogel kein Problem darstellte. Eigentlich hätten sie auch auf dem grossen Drehkreuz landen können, Doch wo immer es ging bevorzugte die Crew doch eher die kleinen Flugfelder. Alleine schon, da dort der Zugang zur Maschine deutlich angenehmer war.

Doch dieses Mal, auch wenn die Landung wirklich kein Problem war, hatte Viper beim Endanflug schon so sein Bedenken. Das war ein Flugplatz für kleine Privatflugzeuge. Einmotorige Maschinen, die bei 80 bis 100 Km/h schon abheben konnten und mit noch weniger Fahrt landeten. Dieser Vogel hatte jedoch eine Landegeschwindigkeit von um die 350 Km/h. Das war mehr, als die Meisten Flugzeuge auf diesem Flugplatz überhaupt auf Reiseflughöhe schafften. Nein, es war eigentlich fast doppelt so schnell!

Für Aisha jedoch kein wirkliches Problem. Auch Viper hatte die Kiste schon auf kleinen Flughäfen problemlos gelandet. Durch die Schubvektorsteuerung hatte Aisha das Flugzeug auch bei dieser geringen Geschwindigkeit noch problemlos im Griff und nach dem Aufsetzen zog sie sofort die Schubumkehr, schob die Schubkraftregler wieder weiter nach vorne und bremste damit das Flugzeug so heftig ab, dass Donald hinten beinah das leckere Essen wieder verlor. Jeder wurde mächtig in die Kurte gezogen und da die hinten nur den Buchgurt hatten und, im Vergleich zu denen im Cockpit nicht wussten, wann sie sich auf das Bremsmanöver einstellen mussten, nickte jeder brav mit dem Oberkörper nach vorne.

Das Flugzeug wurde geparkt, doch es gab da ein kleines Problem. Dieser Flughafen verfügte nicht über eine Treppe, die zum aussteigen herangefahren werden konnte. Warum auch? Keines der hier ansässigen Maschinchen war dafür hoch genug. Ausserdem war sowieso niemand hier, um Bodenpersonal zu spielen. Ein paar Leute kümmerten sich um ihre Flugzeuge und waren total verblüfft, als dieses Gerät hier einschwebte und dann tatsächlich auch problemlos gelandet war.

Es half alles nichts. Viper legte sich auf den Boden, rutschte über die Kante und hielt sich fest. An der offenen Tür baumelnd schaute er nach unten. So hoch war das eigentlich gar nicht, aber dennoch befürchtete er, dass es doch eine nicht ganz so angenehme Landung sein würde. Er liess los, fiel ein Stück und kam schliesslich auf. Ein gestauchtes Gefühl fuhr ihm in die Oberschenkel und sein Becken und er fand das alles überhaupt nicht komisch. Besonders nicht, da Rebekka oben stand und sich anscheinend königlich über seine humpelnden Schritte amüsierte.

»Wenn ich mich ja so blöd dran stelle, mach es besser du Klugscheisser!«

Damit verstummte Rebekkas Lachen und sie verschwand. Das gab Viper eine gewisse Genugtuung. Wenn Rebekka da nichts kontern konnte, hatte er gewonnen. Er fing an sich umzuschauen. Da musste es doch irgendwas geben, womit er die Leute aus der Maschine holen konnte. Doch nein, Fehlanzeige. Doch da kamen schon die anderen Leute, die hier ihre Freizeit zu verbringen schienen und wollten sich dieses Monster anscheinend mal anschauen. Die mussten ja besser wissen, wo man hier etwas finden konnte.

Doch bevor Viper zu ihnen gehen konnte, hörte er einen Pfiff hinter sich. Er drehte sich um und da stand Rebekka wieder in der Tür. Ihre schwarzen Pumps waren Turnschuhen gewichen, auch sie legte sich hin, rutschte über den Rand und liess sich fallen. Doch im Vergleich zu Viper ging sie bei der Landung sofort in die Hocke und rollte sich ab. So geschickt, dass sie sofort wieder auf die Füsse kam und direkt vor Viper stand.

»Na, was sagst du jetzt?«

»Das du immer noch ein Klugscheisser bist!«

»Ja, von mir aus. Entschuldigung, sie haben vielleicht mitbekommen, dass wir ein paar Probleme mit dem aussteigen haben. Hat von ihnen vielleicht jemand eine Idee, wie wir das regeln können?«

Viper wurde sauer. Nicht nur, dass Rebekka ihm dann wirklich gezeigt hatte, dass sie es besser konnte, nein, sie übernahm auch augenblicklich das Kommando.

Einer der Männer kam näher.

»Da in der Halle steht ein Hubwagen. Mit dem müsste das funktionieren.«

»Na ganz prima! Können wir uns den mal ausleihen?«

»Ja, denke schon. Kommen sie mal mit da vorne ins Büro, da müsste der Schlüssel sein.«

Viper schaute Rebekka nach, wie sie mit dem Typ mitging. Sie hatte ihm komplett die Show gestohlen und das mochte er so gar nicht. Doch ein anderer Mann kam zu ihm.

»Was hat das Ding denn für Probleme?«

Viper schaute verwundert.

»Wieso? Wir haben keine Probleme.«

»Und wieso riskieren sie dann mit so einem Teil eine Landung auf so einem Flugplatz?«

Viper lachte.

Weniger Stress. Wären wir auf dem grossen Flughafen gelandet, wären wir jetzt noch auf dem Weg zum Gate, oder würden noch Platzrunden und Warteschleifen drehen. Nee, hier ist viel angenehmer.

Die bei Viper stehenden Männer schauten äusserst ungläubig.

»Sie sind absichtlich hier gelandet? Mit so einem Flugzeug?«

»Ja, bin ich. Ist doch nicht verboten, oder?«

»Nein, dass nicht. Aber wie sollen sie das Ding wieder in die Luft kriegen?«

»Das ist kein Problem. Hab ich schon öfters gemacht. Das Baby kann das.«

Einer der jüngeren Männer wurde neugierig.

»Das ist eines dieser neuen Superflugzeuge, oder?«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Weil es aussieht wie eine Concorde, die aber nicht mehr fliegen und ohnehin hier niemals zum stehen gekommen wäre.«

Viper lachte.

»Ja, hast gewonnen. Natürlich ist das einer dieser Vögel.«

»Stimmt es, dass die Kiste Mach 3 schafft?«

Nun grinste Viper frech.

»Wenn man auf allen vier Triebwerken einen Nachbrenner hat sogar Mach 5!«

»Ohne Scheiss?«

»Japp, ohne Scheiss. Deshalb ist es auch überhaupt kein Problem, auf der kurzen Startbahn hier abzuheben. Etwas nach dreiviertel der Strecke bin ich schon wieder in der Luft!«

»Total irre! Woher kommen sie?«

»Ich? Aus Brücken.«

Die Männer schauten sich an.

»Sie sind aber nicht von Brücken hier her geflogen, oder?«

Viper verstand.

»Ach was. Wir kommen gerade aus New Apple. Da sind wir vor etwa einer Stunde gestartet.«

Der junge Mann schien das amüsant zu finden.

»So viel zum Thema Mach 5.«

Viper verschränkte die Arme.

»Ja, Mach 5! Das wir aber nicht mit Mach 5 starten und auch nicht mit Mach 5 gerade gelandet sind, ist dir klar, oder?«

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