Junggesellenabschied (Teil 26)

In Las Vargas ging derweil alles den Gang, den man auch bei einem eher normalen Junggesellenabschied erwarten konnte. Gespräche, trinken, nichts weiter auffälliges. Auch Waldemar hatte endlich Zeit, mit Mario etwas fachliche Konversation zu führen.

»Mario, mein lieber Freund, ich möchte dich etwas zu dem Flugzeug befragen. Du sagst, es verfügt mittlerweile ebenfalls über eine künstliche Intelligenz. Doch habe ich, in der Zeit vorne im Cockpit, davon nichts erleben dürfen.«

»Du meinst, weil die Kiste nicht gesprochen hat?«

»Das meine ich, unter anderem.«

»Also. Die KI war voll in Betrieb. Habe ich auch einige Male gesehen, wo sie den Kurz und die Höhe minimal angeglichen hat, um eine ruhigere Luftschicht zu erreichen. Sprechen tut die Maschine wahrscheinlich wenn dann eher selten und auch nur, wenn man sie direkt anspricht. Vergiss dabei aber mal nicht, in den Autos sitzt der Fahre bei den Rennen alleine drin. Im Cockpit sitzen aber fast immer mindestens zwei Leute und da ist es logisch, dass man sich eher mit der zweiten Person unterhält als mit einer KI, die einem eh nichts wirkliches sagen kann.«

»Ich verstehe nicht, lieber Mario. Wieso kann sie nicht wirklich etwas sagen?«

»Ganz einfach. Ein Rennen dauert nur Sekunden. Da muss alles passen, sich währenddessen auf eine Situation einstellen und ähnliches. In so einem Flugzeug kann es aber sein, dass du hunderte Kilometer zurücklegst, ohne dass irgendetwas passiert. Du musst bedenken, durch das Flug-Management-System filter die Maschine quasi unterbewusst die meisten kleinen Turbulenzen heraus. Da passieren stellenweise über 100 Ruderbewegungen pro Sekunde, die man gar nicht merkt. Eigentlich würde die Kiste ein bisschen wackeln, aber durch das FMS merkst du nichts. Aber auch die KI merkt davon nichts. Unterbewusst, könnte man wirklich sagen. Deshalb. Sich mit dem Flugzeug zu unterhalten wäre eine wirklich langweilige Geschichte.«

»Aber die KI ist kommunikationsfähig, oder?«

»Sicher. Ist, mit einigen wenigen Anpassungen, die Gleiche wie in den Autos. Die sind auch untereinander verbunden und quasseln die ganze Zeit irgendwelches Zeug. Wenn der Flieger was zu erzählen hätte, könnte man sich natürlich problemlos mit ihm unterhalten. Nur eben, er hat nichts zu erzählen. So ein Flug ist, von Start und Landung mal abgesehen, so viel ereignisloser als jeder Autofahrt.«

»Ich verstehe. Was reden die denn untereinander?«

»Das ist ein kleiner Trick von mir, um die Kommunikationsfähigkeit zu trainieren. Jede KI hat den einprogrammierten Wunsch, oder Instinkt, sich mit seinen Artgenossen zu unterhalten. Aber, die dürfen nicht ihre eigene Sprache entwickeln. Das hatte ich mal und das ist nicht lustig. Lori und Lion haben sich da unterhalten und auch wenn ich die Worte verstanden habe, ich wusste beim besten Willen nicht, was die von mir wollen. Wenn ich aber zum Lion gesagt habe, er soll Lori anweisen, die Türen zu öffnen, oder was in der Art, kam wieder dieser für mich unverständliche Worte, aber Lori verstand und machte das, was ich gesagt hatte. Das habe ich jetzt so umgebaut, dass die KI jeden Satz mir den Regeln der deutschen Rechtschreibung abgleichen muss. Dadurch wird die Unterhaltung zum Einen etwas langsamer und für Mitleser nachvollziehbarer und zum Anderen versteht man mehr nun auch, was sie sagen wollen. Lion und Lori sind dabei mittlerweile so gut, dass ein Abgleich mit den Regeln auch nur noch Millisekunden dauert. Das Flugzeug ist noch lange nicht soweit.«

»Ich verstehe. Du lässt sie voneinander lernen!«

»Natürlich. Denkst du ich setzte mich Tag aus Tag ein hin und erzähle denen was?«

»Du bist wirklich schlau, mein lieber Freund!«

»Ich weiss nicht, darauf wärst du sicherlich auch gekommen.«

»Das ist gut möglich! Aber hast du dir mal darüber Gedanken gemacht, die Autos in ein soziales Netzwerk zu integrieren, um sie dort kommunizieren zu lassen?«

»Du spielst auf den Turing-Test an, oder?«

»Teilweise, mein lieber Freund. Das würde sich dabei von selbst ergeben. Würden die Personen, die mit den Autos kommunizieren, nicht bemerken, dass sie es mit einer künstlichen Intelligenz zu tun haben, dann wäre der Turing-Test bestanden. Die KI könnten aber auch davon lernen, wie man miteinander spricht, wie man miteinander interagiert. Umgangssprachen, Interessen und ähnliches, könnten da gelernt werden.«

Mario fing an zu lachen.

»Waldi, du traust meiner KI ein bisschen zu viel zu! Umgangssprachen könnten sie sich vielleicht noch irgendwie beibringen, aber da steht die Programmierung im Weg, alles mit den Regeln der Rechtschreibung zu vergleichen. Auch würden die KI nie nach Interessen, oder ähnlichem suchen. Darauf müsste ich sie erst programmieren, auch so etwas zu erkennen und in ihren Lernprozess aufzunehmen. Vergiss mal nicht, eine KI, egal wie gut sie ist, ist und bleibt ein Computerprogramm und trainiert im Endeffekt nur eine IF-Anweisung. Intelligent ist das beim besten Willen nicht!«

Waldemar setzte sich zurück und dachte einen Moment nach.

»Okay. Das heisst also, eine wirkliche KI dürfte ausschliesslich aus IF-Anweisungen bestehen, die trainiert werden können.«

Wieder lachte Mario.

»Dann hättest du ein Programm mit Bergen von neuronalen Netzen, die irgendwas lernen können. Aber wenn sie nicht wissen, was sie lernen sollen, lernen sie irgendwas. Wenn sie nicht wissen, was richtig und was falsch ist, lernen sie am Ende etwas falsches. Du musst definitiv einen Instinkt, oder ähnliches vorgeben, damit da was funktionieren kann.«

Und wieder musste Waldemar nachdenken.

»Es müsste also eine Motivation eingebaut werden und so etwas wie Schmerz.«

Nun überlegte Mario.

»Mein Freund, da hast du jetzt etwas angesprochen, was ich überaus interessant finde! Eine Motivation ist relativ simpel. Langeweile! Wenn länger nichts passiert, langweilt sich die KI und muss irgendetwas machen. Dazu dann der Selbsterhaltungstrieb. Werden irgendwelche Sensoren aktiviert, ist das für die KI unangenehm und sie lernt, was falsch und was richtig ist. Tut sie etwas und kein Sensor wird berührt, ist alles gut. Zudem dann noch der Selbsterhaltungstrieb. Die Energie der Akkus schwindet. Tut die KI etwas, was die Akkus auflädt, ist es richtig, ansonsten falsch. Das ist äusserst simpel, kann aber für den Anfang reichen!«

Waldemar fand es zum kotzen, aber was Mario da aus seiner Idee gemacht hatte, überflügelte sein Verständnis.

»Mario, mein lieber Freund, zu was genau würde das führen?«

»Anfangs zu nicht viel. Wir hätten eine KI, die nichts vorgegeben bekommt. Ausser eine Grundmotivation und einen Selbsterhaltungstrieb. Alles Andere müsste sie selbstständig erlernen.«

Soweit hatte Waldemar das verstanden. Was daraus werden konnte, so weit konnte er nicht denken.

»Und weiter?«

Seine Frage zeugte definitiv davon, dass er überhaupt nicht wusste, nach was er fragen sollte.

»Ganz einfach. Stell wir vor wir bauen einen kleinen Roboter mit vier Rädern, der vorwärts und rückwärts fahren und sich drehen kann. Der hat ringsum Sensoren, die jeden Aufprall als Schmerz ansehen. Zudem noch Distanzsensoren und eine Photovoltaik-Platte auf dem Rücken und eine Anzeige, wie viel Volt seine Akkus noch haben inklusive dem unterbewussten Wissen, wann die Akkus voll sind und wann leer. Das ist das Einzige, was wirklich fest einprogrammiert wird. Wobei man die Motivation auch als neurales Netz auslegen und von Hand trainieren könnte. Wäre auch eine gute Idee, denke ich.«

Waldemar war sich nicht ganz sicher, schien aber zu verstehen.

»Und alles Andere wären neurale Netze, die sich selbst trainieren müssten?«

»Genau. Der Antrieb der Räder zum Beispiel. Wie man die Sensoren nutzt. Wann die Akkus geladen werden usw. Wir würden ihn hinstellen und einschalten. Erst würde nichts passieren, bis die Langeweile zuschlägt. Oder der Selbsterhaltungstrieb. Da müsste ein neuronales Netz sein das dann eben weiss, es muss irgendwas passieren. So könnte es zum Beispiel den Input Langeweile bekommen. Durch die per Zufall eingestellten Gewichte würde dabei dann irgendwas rauskommen. Vielleicht vorwärts fahren, oder so. Die KI würde lernen, hat sie Langeweile und fährt los, ist die Langweile weg. Also richtig. Dann stösst das Ding aber irgendwann irgendwo an. Die Sensoren schlagen Alarm und die KI weiss unterbewusst, dass war falsch. Sie würde dann wahrscheinlich lernen, hat sie Langeweile und fährt nur ein Stück, ist die Langweile eine Zeit lang weg, taucht dann aber wieder auf. Stück für Stück würde sich die KI dabei an etwas herantasten, was wirklich lange funktioniert!«

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