Schlachtungen (Teil 3)

Zum Glück stand in diesem Haus die nächste Fütterung nicht sofort an. Krieger und Tiffany hatten einige Minuten, um sich zu erholen. Ihr Führer hingegen schien die Sache gar nicht zu verstehen und verabschiedete sich auch bald, wer hätte schliesslich noch mehr zu tun. Die Frauen sollten sich um die Besucher kümmern.

»Darf ich sei etwas fragen? Warum müsst ihr selbst den Knopf drücken?«

Eine der Frauen, die selbst Krieger unglaublich gut gefiel, kam und setzte sich neben ihn.

»Ganz einfach Kapitän. Hier ist alles freiwillig. Wirklich alles! Niemand verliert hier sein Leben durch eine andere Person. Man hat bis zu dem Moment, wo man den Knopf drückt, die Wahl sich anders zu entscheiden. Drückt man jedoch, ist es vorbei.«

»Also, ihr nehmt das mit dem Freiwillig ganz schön ernst!«

»Ja, natürlich! Ich würde es gar nicht anders haben wollen! Es wäre für mich nicht die gleiche Ehre, wenn jemand Anderes mein Ende herbeiführen würde.«

Krieger brauchte einen Moment, um die nächste Frage stellen zu können.

»Darf … darf ich fragen, wie sie … also auf welcher Art … ich meine …«

»Wie ich die Fütterung erlebe?«

Krieger nickte, die Frau musste schmunzeln.

»Natürlich dürfen sie! Ich werde lebend verfüttert. Die grösste Ehre, die man haben kann! Das entscheidet der Computer. Grösse, Gewicht, Fettanteil, Becken usw. Auch wie wir uns verhalten.«

Krieger wollte gar nicht weiter nachfragen. Aber dennoch gab es Fragen, die er noch stellen wollte.

»Wissen sie schon, wann ihre Zeit gekommen ist?«

»Nein. Das wird ebenfalls vom Computer am Morgen berechnet. Heute mal nicht, so viel weiss ich.«

»Wie lange sind sie schon hier?«

Warf Tiffany eine Frage dazwischen.

»Seit fast zwei Monaten.«

»So lange?«

Die Frau schien die Frage gar nicht nachvollziehen zu können.

»Aber ja. Der Bedarf an Frauen ist weit kleiner, als die Zahl der Freiwilligen!«

Da musste Kriege nachhaken.

»Was soll das heissen? Wie ist das Verhältnis?«

»Das schwankt natürlich. Aber nach den letzten Angaben ist das Verhältnis Futter zu Tier etwa acht zu eins.«

Krieger wäre aufgrund dieser Information fast in Ohnmacht gefallen. Es gab unzählige dieser Tiere, sie hatten es in der Megaclite registriert. Nun sollte es aber acht Mal mehr Frauen als Tiere geben? Das klang unglaublich.

»Wann ist denn die nächste Fütterung hier aus dem Haus?«

Eine der Frauen hatte das gehört. Blond, gross, stämmig.

»Das bin ich. Bin auch schon bereit, die müssen nur noch kommen.«

»Welche Art ist es bei ihnen?«

Fragte Tiffany ganz vorsichtig.

»Erhängen.«

»Gut, haben wir ja noch nicht gesehen.«

Krieger erschrak über sich selbst, als er das sagte. Die Frau sprach davon gehängt zu werden und er sagte gut?

»Haben sie irgendwie Angst davor?«

Zwei der Frauen lachten über Tiffanys Frage.

»Die? Die würgt sich jeden Tag mehrfach, weil sie es nicht abwarten kann!«

Krieger und Tiffany schauten beide direkt fragend zu der Frau.

»Was ist? Ich kann es eben nicht abwarten!«

Das war wieder so ein Schock, der Krieger jegliches Zeitgefühl nahm. Bis es klingelte.

»Yeah, na endlich! Macht es gut Mädels, wir sehen uns auf der anderen Seite!«

Wieso die nur so gefasst waren, verstand Krieger nicht. Nein, er wollte es nicht verstehen. Diese sinnlose Verachtung des eigenen Lebens war einfach nur grotesk.

Ansonsten ging es wie beim letzten Mal vonstatten. Die Frau wurde abgeholt, Krieger und das Aussenteam hinterher. Wieder konnten sie kaum Schritt halten, bis sie in dem kleinen Gebäude waren.

»Fütterung?«

»Ja! Endlich!«

»Art?«

»Hängen!«

»Erdrosseln, oder Genickbruch?»

»Erdrosseln bitte!«

Krieger konnte das nicht glauben. Erdrossen und bitte in einem Satz zu hören, war schon heftig.

»Hier ist dein Schein. Durch die Tür, geradeaus.«

Das Tempo erinnerte Tiffany irgendwie daran, dass sie Frau auf der Flucht war. Nur, in die falsche Richtung! Sie konnte anscheinend gar nicht schnell genug bei der Tür sein. Auch drückte sie dem Mann so stürmisch den Zettel in die Hand, es war einfach surreal.

»Okay, super. Komm hier her.«

Bereitwillig ging die Frau mit dem Mann. Der drückte auf einen Knopf und von der Decke kam ein Strick herab. Warum der so lang war, erschloss sich Krieger nicht wirklich. Auch die Schlinge sah merkwürdig aus. Sie hatte keinen Knoten, oder ähnliches. Dort, wo sich die Schlinge mit dem Stick verband, schien so etwas wie ein Mechanismus zu sein.

»Okay, gut. Leg dir bitte die Schlinge um den Hals.«

Tiffany sah mit geweiteten Augen, dass die Frau das mit solch einer Hingabe tat, als wäre es wirklich die Erfüllung eines Traumes. Als alles richtig sass, kam der Mann mit einer Art Fernbedienung an einem Kabel. Dieses befestigte er an dem Mechanismus an der Schlinge und gab ihr schliesslich das Teil.

»Also. Du hast drei Möglichkeiten. Eins zieht dich so hoch, dass du keinen Bodenkontakt mehr hast. Zwei zieht dich nur so hoch, dass du noch knapp auf den Zehenspitzen stehen kannst. Drei löst die Schlinge, falls du es dir anders überlegst.«

Das konnte Krieger kaum glauben. Sie bekam die Möglichkeit, die ganze Geschichte noch abzubrechen? Tiffany hatte hingegen eine andere Frage.

»Wieso die Einstellung, wo man noch auf den Zehen stehen kann?«

»Die ist cool, oder? So kann man es noch schön hinauszögern!«

»Warum sollte man das wollen?«

»Um die Ehre noch etwas zu geniessen?«

»Wie sollte man …«

»Entschuldigung, aber ich muss ihnen leider sagen, dass wir zeitlich straff organisiert sind. Würden sie die Dame bitte ihre Arbeit machen lassen? Damit es hier weitergehen kann?«

Ihr Arbeit? Krieger wollte lautstark protestieren, doch kamen die nächsten Worte von der Frau.

»Entschuldigung! Ich will den Betrieb natürlich nicht aufhalten!«

Mit den Worten drückte sie den Knopf. Anscheinend die erste Einstellung, denn sie wurde recht weit nach oben gezogen. Tiffany und Krieger konnten nicht glauben, was sie da sahen. Da hing die Frau an ihrem Hals. Sie trat mit den Beinen um sich, während die eine Hand zu der Schlinge ging. Die Andere hielt die Fernbedienung fest umschlungen.

Insgeheim wünschte sich Tiffany, dass sie diesen verdammten Knopf drücken würde. Doch nein! Sie blieb hängen, zappelte, röchelte und lief langsam rot an. Ihre Bewegungen wurden immer langsamer, aus dem wilden Tanz wurde nur noch ein langsames zucken. Bis schliesslich keine Regung mehr von ihr kam und sie schlaff am Strick hing. Auch die Fernbedienung liess sie los, doch konnte diese nicht bis zum Boden fallen.

Der Mann ging an ein Tor und drückte einen Knopf. Das Rolltor glitt auf und zwei Männer führten eines dieser Tiere herein. Das schien gar nicht zu verstehen, was es hier sollte. Erst, als einer der Männer den baumelnden Fuss der Frau in sein Maul steckte, schien es zu verstehen und fing an zu fressen. Der Mann drückte die zweite Einstellung und als der halbe Körper im Schlund des Tieres verschwunden war, löste er die Schlinge. Stück für Stück verschwand der leblose Körper im Schlund der Kreatur, die schloss  schliesslich den Mund und schon ging es wieder nach draussen.

Aber auch für Tiffany und Krieger. Die konnten gar nicht schnell genug an die Luft und Krieger dachte daran, sich zu übergeben. Doch nein, alles blieb drin.

»Tiffany, es ist mir egal, was wir gesehen haben und was nicht. Ich will hier weg!«

»Einverstanden Kapitän! Ich bin absolut einverstanden!«

»Sehr gut! Gehen sie mit Casper zurück zum Shuttle und machen sie alles startklar. Ich gehe mit Baki unseren Abflug melden und wir treffen uns vor dem Start. Sobald ich an Board bin will ich hier weg! Keine Sekunde bleibe ich noch länger hier! Freiwillig oder nicht, es ist barbarisch!«

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