Sind die Brass freund, oder feind?

»Wie man uns sagte, habe sich der Frieden und die Harmonie über die Jahre durch die Knechtschaft der Thori entwickelt. Man musste zusammenhalten und fand dabei den Frieden.«

Der Thori lachte.

»Zum Teil mag das stimmen. Vielleicht liegt es aber auch an der Politik der Brass. Lassen sie mich ihnen eine Frage stellen. Wie kommt es, dass die Zahl der Einwohner auf Brassika und deren Kolonien stabil bleibt?«

Da sich Krieger darüber keine Gedanken gemacht hatte, konnte er dazu auch nichts sagen.

»Gut, eine andere Frage. Wie kann es sein, dass die Brass, die ja angeblich nur minderwertige Planeten zugesprochen bekommen, eine solche Fülle an Nahrung haben?«

Darüber hatte sich Krieger schon Gedanken gemacht. Auf allen Planeten, die er bislang gesehen hatte, florierte das Leben und niemand litt Hunger. Allerdings war die Landwirtschaft überall nur verhalten ausgeprägt. Vegetarische Nahrung konnte damit zwar in ausreichendem Mass hergestellt werden, doch alles, was Fleisch hätte liefern können, gab es nur spärlich. Krieger hatte daraus geschlossen, dass es noch andere Planten geben musste, wo die Viehhaltung intensiviert wurde. Oder eben, da die Brass technologisch hoch entwickelt waren, war der Gedanke an Nahrungsmittelgeneratoren auch nicht abwegig.

»Ich habe mir diese Frage gestellt. Bin aber zu dem Schluss gekommen, dass entweder Planten extra für diesen Zweck genutzt werden, oder die Brass eine Technologie haben, um sich mit Nahrung zu versorgen.«

»Eine sehr gutgläubige Annahme! Hätten die Brass eine solche Technologie, warum müssen dann ständige Versorgungsflüge zu diversen Planeten durchgeführt werden?«

Dummerweise war diese Frage wirklich gut. Eine Technologie schien es nicht zu geben, also musste Fleisch anders hergestellt werden.

»Der Punkt geht an sie!«

»Danke. Sie haben auch nicht ganz Unrecht. Sind ihnen die Regelmässigen Flüge von Brassika zu einem Planeten aufgefallen, den man Schlaha nennt?«

»Ja. Die grössten Transporter pendeln auf dieser Strecke.«

»Korrekt. Haben sie denn schon einmal den Namen des Planeten geschrieben gesehen?«

Krieger schüttelte den Kopf. Maggi griff in eine Tasche seine Kleidung. Sofort waren die Sicherheitsleute da und wollten ihn davon abhalten. Krieger hob nur die Hand. Kurz darauf kam so etwas wie ein Tablet zum Vorschein. Maggi benutzte es und schob es Krieger hin. Darauf stand nur ein Wort: »SchlaHa«.

»Das H wird gross geschrieben?«

Maggi nickte. Krieger konnte sich darauf keinen Reim bilden, Tiffany schon.

»Schlachthaus!«

»Sehr scharfsinnig, für ein Weibchen!«

Tiffany fühlte sich gekränkt.

»Also gibt es einen Planeten für die Fleischproduktion!«

»Das ist korrekt, Kapitän. Lassen sie mich ihnen einen Satz Koordinaten geben!«

Maggi zog das Tablet wieder zu sich, schreib darauf und schob es Krieger wieder hin.

»Das sind die Koordinaten von SchlaHa. Ich bin mir sehr sicher, nach unserem Gespräch wollen sie sich dort umsehen, um meine Worte zu verifizieren. Nun lassen sie mich aber erzählen, wie die Brass zu ihrem reichhaltigen Angebot an fleischlichen Nahrungsmittel kommen.«

Siegessicher lehnte sich Maggi zurück.

»Nachdem die Brass auf sich alleine gestellt waren, litten sie schnell Hunger. Auch war klar, die Landwirtschaft konnte niemals schnell genug etabliert werden, um die Brass zu ernähren. Also ersonnen die Ältesten einen wirklich bemerkenswerten Plan. Anstatt sich von ausserhalb Nahrung zu beschaffen, was in keinster Weise ein Problem dargestellt hätte, bauten sie ihre Mythologie einfach weiter aus. Einige Punkte der überlieferten Schriften beschrieben ein Notfallszenario. Wenn es keinen anderen Weg gab, die Kolonisten anders am Leben zu erhalten, sollten sich einige von ihnen Opfern, um als Nahrung für den Rest zu dienen. Daraus bastelten die Brass nun eine mythologische Abwandlung. Sie wählten eine Gruppe aus, die zukünftig als Nahrungsquelle dienen sollte. Junge Frauen, die bis zum 25. Lebensjahr keine Familie gegründet hatten, standen von nun an auf der Speisekarte!«

Entsetzt schaute Krieger zu Ruug, der seiner Meinung nach am Besten über die Schriften der Brass bewandert war. Ruug kannte auch diese Passagen, hatte sich aber noch nie Gedanken darum gemacht. In seinem Volk war es normal, dass jene, die aufgrund fehlgeschlagener Fortpflanzung ihr Ende gefunden hatten, von den Anderen verzehrt wurden.

»Ja Kapitän, ein solcher Passus ist vorhanden!«

Total entrüstet schaute Krieger wieder zu Maggi.

»Wollen sie mir sagen, die Brass sind Kannibalen?«

»Aber nein Kapitän! Zu beginn schon, doch zeigte sich schnell, die Anzahl derer, die für die Fleischproduktion geopfert wurden, war nicht ausreichend, um die benötigten Ressourcen zu erhalten. Die Brass suchten in ihrem ganzen Reich nun nach Tieren, die entsprechend viel Fleisch bieten konnten. Ich will nicht unterschlagen, dass man zu Beginn die Tiere untersuchte, welche man pflanzlich ernähren konnte. Doch bald schon war klar, auf diese Weise konnte das Volk nicht ausreichend ernährt werden. Also wurde die Suche erweitert und eine Spezies entdeckt, mit der es möglich war. Eigentlich eher kleine Lebewesen, die jedoch zu fast 80% aus Muskeln bestehen. Ihr Nahrungsbedarf ist gering, die Pflege vernachlässigbar. Alles, was man tun muss ist, sie zu füttern. Mit Fleisch!«

In Krieger formte sich ein wirklich unangenehmes Bild. Auch Tiffany bekam ein flaues Gefühl in die Magengegend.

»Sie wollen mir aber nicht sagen, dass man Frauen an diese Tiere verfüttern?«

»Doch, genau darauf will ich hinaus.«

»Also ist jede Frau, die bis 25 Jahren keine Familie gegründet hat, ein potentielles Opfer?«

»Aber nein! Auch die Brass haben sich weiterentwickelt. Die Mythologie gibt vor, dass es für Frauen eine Ehre ist, zum Wohl der Brass geopfert zu werden. Viele melden sich freiwillig, werden nach SchlaHa gebracht und verfüttern sich dort selbst. Anschliessend werden die Tiere geschlachtet und das Fleisch nach Brassika gebracht und von dort verteilt.«

Krieger wurde es schlecht. Auch er hatte schon die Speisen auf Planeten der Brass zu sich genommen und das hiess, er hatte Menschen gefüttertes Fleisch gegessen. Irgendwie dachte er daran, zur nächsten sanitären Einrichtung zu rennen und sich zu übergeben. Er wollte jedoch einen starken Eindruck machen und kämpfe das Verlangen nieder.

»Sie haben Recht! Das werde ich mir mit eigenen Augen anschauen! Doch hat die Sache auch einen Haken! Selbst wenn es so ist, ich bin weder Richter, noch Henker! Wenn das Volk der Brass mit dieser Einstellung leben kann und will, habe ich kein Recht sie dafür zu kritisieren!«

»Natürlich nicht! Doch vielleicht interessiert sie auch, wie der Frieden Einzug gehalten hat! Wissen sie, was ehrloses Verhalten bei den Brass zur Folge hat?«

Wieder schaute Krieger zu Ruug. Der gab Antwort.

»Nach der Mythologie hat die Familie die Unehre eines Mitglieds zu tragen. Beginnend von den Jüngsten an.«

Das klang nicht ganz so schlimm, so dachte sich Krieger. Maggi hatte dazu aber etwas zu sagen.

»Da ihnen anscheinend nicht bewusst ist, was es damit auf sich hat, will ich es ihnen erklären. Unehre wird mit Folter und Tod bestraft. Nehmen wir einen harmlosen Diebstahl und sagen, jemand entwendet, vielleicht sogar unwissentlich, zum Beispiel ein Schreibgerät. Kommt es zur Anzeige, wird die ganze Familie des Diebes inhaftiert. Das jüngste Mitglied wird nun ausgewählt, die Unehre zu begleichen. Im Falle eines Diebstahls würde das den Verlust einer Hand bedeuten. Das bedeutet, gibt es in der Familie des Diebes zum Beispiel ein Kind, welches das Jüngste in der Familie ist, wird diesem im Beisein der Familie die Hand abgetrennt. Natürlich ohne Zuhilfenahme von Schmerzmitteln. Wehrt es sich, was natürlich wahrscheinlich ist, wird nach ihm die Prozedur am nächst älteren Familienmitglied wiederholt. Solange, bis eines dabei ist, welches Freiwillig den Verlust seiner Hand in Kauf nimmt. Erst dann ist die Unehre beglichen. Wie sie sich sicher denken können, kann es dadurch in grossen Familien zu vielen Verstümmelungen kommen, bis jemand an der Reihe ist, der durch seine Vernunft lieber das Opfer bringt, als weitere Familienmitglieder zu opfern. Nun sagen sie mir Kapitän. Ist das ein Volk, für das man in den Kriegt zieht?«

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