Wie vereinbart zogen sich die Schiffe zurück. So weit, dass sie ausser Reichweite der Sensoren waren. Ein einzelnes Schiff tauchte aus Richtung Heimatwelt der Thori auf und nahm Kurs auf die Megaclite. 30 Minuten vor der Ankunft stellte Tiffany eine Frage.
»Was bezwecken die damit?«
»Zwei Dinge Nummer Eifany.«
Krieger hatte die Bezeichnung Nummer eins so verinnerlicht, dass er immer noch Schwierigkeiten damit hatte, Tiffany bei ihrem Namen zu nennen.
»Zum Einen haben sie uns nun gezeigt, dass wir nicht mit ihnen Katz und Maus spielen können. Sie wissen, dass die Megaclite existiert und die Brass deshalb auf einmal so einen Vorteil auf ihrer Seite haben. Zum Anderen wollen sie wahrscheinlich versuchen uns davon zu überzeugen, dass die Brass kein Volk sind, welches wir unterstützen sollten.«
»Von mir aus. Aber, warum spielen wir das Spiel jetzt mit? Der Antrieb ist wieder einsatzbereit, wir können einfach abhauen.«
»Weil ich wissen will, was der uns zu erzählen hat. Da wird natürlich viel Propaganda dabei sein, aber vielleicht erfahren wir auch etwas über unsere neuen Freunde, was uns bisher niemand gesagt hat. Es ist immer gut, beide Seiten von Kriegsparteien zu kennen. Erinnern sie sich noch an den Zwischenfall zweier unserer Kolonien vor ein paar Jahren?«
Tiffany dachte nach. Da gab es nur einen Fall, wo zwei Kolonien auf einmal Krieg gegeneinander führten. Der Grund dafür war an Irrwitz nicht zu überbieten. Es ging lediglich um den Namen der Kolonien. Die Einen nannte sich »New Eden«, die Andere »Eden 2«. Das reichte aus, sich gegenseitig den Krieg zu erklären. Tiffany verstand den Wink und akzeptierte, dass sie hier warteten.
Das Schiff kam an und wurde sofort von Casper gescannt.
»Krieger, es ist ein einfacher Transporter. 22 Personen an Board und ich kann keine Waffen erkennen. Auch mit dem, was der Transporter zu bieten hat, lassen sich keine Substanzen herstellen, die eine nennenswerte Explosion auslösen könnten. Selbst wenn sie die Selbstzerstörung einleiten würden, wäre das keine Herausforderung für unsere Schilde.«
»Sehr gut. Dann sollen die mal andocken. Tiffany, Ruug, sie will ich unbedingt dabei haben. Casper, sorgen sie dafür, dass Baki und Raschniposa die Geschehnisse im Konferenzraum sehen können. Ich will hinterher ihre Meinung dazu wissen.«
Wenige Minuten später erreichte ein anscheinend älterer Thori mit zwei Wachen das Schiff und wurde von der Sicherheitsmannschaft auf Waffen untersucht und zum Konferenzraum gebracht. Krieger stand auf.
»Willkommen auf der Megaclite. Mein Name ist Krieger, mein erster Offizier Tiffany und unserer Berater für diese Galaxie Ruug.«
»Maggi. Ich bin ein wenig irritiert. Das soll wirklich das Schiff sein, vor dem sich unsere Verteidigungsinstanzen so fürchten? Wirkt auf mich fast wie ein Museumsstück.«
Tiffany verstand nicht ganz. War Maggi sein Name, oder wollte er die Zusammenkunft würzen? Auf der Erde war Maggi in gewissen Regionen das Gewürz für alle Fälle.
»Ich glaube nicht, dass wir uns über mein Schiff unterhalten sollten. Egal was es auf sie für einen Eindruck macht, seine Leistung spricht für sich. Also, warum sind sie hier?«
Krieger zeigte auf einen der Stühle und Maggi setzte sich.
»Nun, meine Mission ist klar. Ich bin hier um ihnen zu sagen, warum die Brass sich von den Thori abgespalten haben. Da wir davon ausgehen müssen, dass ihnen viele Informationen vorenthalten wurden, könnte es ihnen eine neue Sicht auf ihre Verbündeten geben.«
»Na dann, nur zu!«
»In Ordnung. Wir gehen davon aus, dass die Brass ihnen nur die Dinge gesagt haben, die auch auf uns zutreffen. Vielleicht werden sie sich auch schon gefragt haben, warum sich unsere Völker getrennt haben.«
»Das ist korrekt. Diese Frage habe ich mir schon gestellt!«
»Ich dachte es mir. Auch gehe ich davon aus, man hat ihnen gesagt, wir hätten die Brass verstossen und würden sie nun unterdrücken. Wir nehmen uns nur das Beste, sie bekommen die Reste. Korrekt?«
»Ja, so in etwa.«
»Dann lassen sie mich mal da ansetzen. Einst waren wir ein einziges Volk. Wir kommen von einer anderen Galaxie und wurden hier heimisch. Wir entwickelten schnell eine grossartige Zivilisation und das zog natürlich Neider an. Es wurde so schlimm, dass wir schliesslich den Entschluss fassten, sofort jeden Eindringling zu vernichten, der die Grenzen unseres Einflussgebietes überschritt. Mit Erfolg! Alles entwickelte sich prächtig und wir gründeten immer mehr Kolonien.«
Der Thori machte eine dramatische Pause. Bis hier hin konnte Krieger ihm auch noch folgen, denn es deckte sich in den meisten Punkten genau mit dem, was er auch schon von den Brass gehört hatte.
»Doch die Kolonien entwickelten sich nicht so, wie wir uns das erhofft hatten. Der Fehler lag letzten Endes an unserer Politik. Jede Kolonie bekam einen eigenständigen Status zugesprochen und konnte sich nach eigenen Vorstellungen verwalten und entwickeln. Einzige Bedingung war eine Art Steuer, die man an uns zu entrichten hatte. Eine faire Steuer, die von allen Kolonien jährlich diskutiert und angepasst wurde.«
Wieder eine Pause. Davon hatte Krieger zwar noch nichts gehört, doch war das Vorgehen nicht unlogisch.
»Was wir nicht erwartet hatten war, dass die Kolonien, die am Weitesten von unserer Heimatwelt entfernt waren, immer groteskere Praktiken pflegten. Sie entfernten sich in ihrer Gesinnung so weit von uns, dass wir uns nicht mehr mit ihnen identifizieren konnten. Es war jedoch zu spät, eine andere Politik zu etablieren und wir führten eine gewisse Duldung ein. Solange die Kolonien weiter an den jährlichen Konferenzen teilnahmen und ihre Steuern entrichteten, tolerierten wir ihr Vorgehen. Leider zeigte sich bald, dass es umgekehrt nicht so war.«
Auch das hatte Krieger schon gehört, wenngleich auch aus der Milchstrasse. Dort war es ähnlich. Je weiter eine Kolonie weg war, desto wahrscheinlich war es, dass sie sich in ihrem Verhalten immer stärker distanzierten.
»Es begann mit den Ohri. Sie wollten nun diktieren, wie unser Weg zu sein hatte. Krieg und Expansion waren ihre vorrangigen Ziele. Da wir jedoch nicht darauf eingehen wollten, spalteten sie sich von uns ab und wie es zu erwarten war, kam kurz darauf der erste Bürgerkrieg. Wir schlugen ihn nieder, akzeptierten aber die Abspaltung.«
Die Ohri waren für Krieger gänzlich unbekannt. Doch Ruug hatte ja gesagt, dass angrenzend an den Thori zwei Völker existierten. Eines waren die Brass, also musste das Andere die Ohri sein.
»Es entwickelte sich eine Stabilität. Thori und Ohri lebten nebeneinander und liessen sich in Ruhe. Doch dann kamen die Brass. Ihr Lebenswandel wurde zunehmend spiritueller. Sie stützten sich immer mehr auf die Mythologie und machten aus den alten Überlieferungen eine Religion. Schliesslich begannen sie damit, auch uns ihren Glauben aufzwingen zu wollen. Es kam zu etwas wie einem Kreuzzug. Zu beginn versuchten sie lediglich andere Kolonien zu missionieren. Für uns kein Problem, wer sich ihnen anschliessen wollte durfte das auch. Doch bald wurde es blutig. Kolonien, die sich nicht dem Glauben der Brass unterwerfen wollten, galten als Ketzer und wurden gnadenlos angegriffen. Solange, bis sie sich entweder dem Glauben anschlossen, oder vernichtet waren. Wir mussten eingreifen. Der Krieg, der daraus erblühte, war lang und blutig. Schlussendlich verstiessen wir die Brass und deklarierten sie im Anschluss als Feind der Thori. Ich nehme an, davon wissen sie nichts?«
In der Tat waren diese Informationen für Krieger neu. Das die Brass einen hohen Wert auf ihre Mythologie legten, war ihm zwar bekannt, jedoch nicht der Umstand des Kreuzzuges. Sollte er Thori die Wahrheit gesprochen haben, warf das tatsächlich ein neues Licht auf die Brass. Kein gutes Licht, sollte man hinzufügen.
»Das ist korrekt. Über Kreuzzüge hat man uns nicht informiert.«
»Ich dachte es mir. Jedoch denken nicht alle Brass so, wie die Ältesten es sich denken. Demzufolge gibt es sehr viele unter ihnen, die uns nach wie vor treu ergeben sind. Zwar leben sie bei den Brass und wollen gar nicht zu uns zurück, doch sie halten uns auf dem Laufenden. Dadurch sind wir auch über ihr Schiff in Kenntnis gesetzt worden. Allerdings haben wir noch andere Informationen. Ist ihnen die Harmonie aufgefallen, die bei den Brass herrscht?«
»Ja, natürlich. Die ist schwer zu übersehen. Auch wir sind herzlich empfangen worden und wir können auch nicht behaupten, dass man uns irgendwie zu hintergehen versucht.«
»Nein, natürlich nicht! Haben sie sich aber mal gefragt, wo diese Harmonie herkommt? Sie und wir scheinen ja gemeinsame Vorfahren zu haben. Dann müssten sie wissen, dass Hass und Gewalt zu uns gehört. Wie haben die Brass es ihrer Meinung nach geschafft, dies zu überwinden?«