Perrys Moment

»Wenn du mich so fragst, dann nein. Aber ist das wichtig?«

»Nun, was genau hast du bisher bei dir erlebt? Deine Periode ist ausgeblieben, deine Bauch und deine Brüste werden dicker und?«

Das verstand Katja nicht. Was sollte sie denn noch spüren? Soweit sie informiert war, spürte man das Kind erst etwas später.

»Was und?«

»Genau! Glaub mir, nach dem Termin wirst du dich definitiv wundern! Bis dahin hab einfach Spass!«

Katja grinste.

»Mir dir?«

»Wer weiss das schon?«

Auch Pascal grinste.

»Aber zuerst muss ich da etwas mit Markus klären. Es gibt da ein paar Dinge, die auch er noch nicht so ganz versteht.«

»Du meinst mit Amy?«

»Klar meine ich mit Amy! Manchmal tut Markus so, als müsse er Angst vor ihr haben.«

Gleichzeitig im Konferenzraum von Markus Firma, waren Perry und Donald leicht eingeschüchtert. Neben Markus sassen da noch zwei Figuren und die wirkten irgendwie bedrohlich. Lediglich Waldemar blieb natürlich unbeeindruckt.

»In Ordnung meine Freunde. Überzeugt meine Kollegen von eurem Produkt. Ich garantiere euch, wenn wir es einsetzen wollen, seit ihr saniert!«

Nun, Perry fand seine Firma jetzt schon saniert. Sie schrieb ganz dicke, schwarze Zahlen und hatte fast keine Ausgaben. Aber gut, noch mehr verdienen war natürlich auch nicht unbedingt unangenehm.

Nun zeigte sich aber ein Problem. Weder hatten die Jungs einen Laptop für die Präsentation dabei, noch waren sie in irgendeiner anderen Form vorbereitet und Perry fing mehr an zu stammeln, als normal zu sprechen. Natürlich wusste er mittlerweile, was er von seinem Produkt da erzählen konnte und was in der Regel auch ankam, aber bei diesen Männern fühlte er sich in die Schulzeit zurückversetzt, wo Lehrer ihn immer eingeschüchtert hatten, auch wenn sie es gut mit ihm meinten. Auch Donald fand keine wirklich besseren Worte und ohne Laptop fühlte sich Waldemar gänzlich unnütz. Also kam das, was die Jungs befürchtet hatten. Mitten in Perrys Rede fing einer der Männer an mit Markus zu reden, als wären die Jungs gar nicht da.

»Markus. Ich habe wirklich und wahrhaftig ein wichtiges Meeting in Brasilien verschoben, um mir von einer Gruppe Dilettanten meine Zeit stehlen zu lassen? Was haben sie sich bitte dabei gedacht?«

Nun meldete sich der andere Mann zu Wort.

»Ich bin der gleichen Meinung Markus. Wir haben eine funktionierende und erprobte Kommunikationsplattform etabliert. Warum sollten wir das jetzt zu Gunsten einer Gruppe Anfänger kippen, die nicht einmal flüssige Sätze reden können und hier ankommen, als wären sie in die Altkleidersammlung gefallen?«

Wenn Perry eines nicht leiden konnte, dann war es Oberflächlichkeit. Richtig, sie hatten keine teuren Anzüge an, aber sie waren auch beim schmücken einer Kirche gewesen und nie war die Rede von einem Meeting. Einen Moment dachte er daran, was Katja in dem Moment tun würde und hatte es auch sofort vor Augen. Sie würde zwar ihre Reize einsetzen, aber schlussendlich wären es ihre Worte gewesen, die Eindruck gemacht hätten. Also, reden konnte Perry doch mittlerweile auch, oder? Er hatte es fertig gebracht, sein Aussehen positiv zu verändern und war von einem Kerl, den keine Frau im Bett haben wollte zu einem aufgestiegen, um die die Mädels sogar wetteten.

Es war wir ein grosses Fass Mut, welches in in gekippt wurde. Seine Scheu verflog, aus der Schüchternheit wurde Entschlossenheit. Perry, der eben noch am gegenüberliegenden Kopfende zu den Herrschaften gesessen hatte stand auf und ging zu ihnen rüber.

»So, sie haben eine funktionierende Kommunikationsplattform? Zusammengeschustert aus verschiedener Software? Wie viele Programme müssen denn bei ihnen laufen, um den Umfang unserer Software auch nur annähernd zu erreichen? Wie diskret sind die Unternehmen, welche die Software hergestellt haben? Wie viele Spione gibt es dabei?«

Markus lehnte sich zurück. Einer der Männer konterte.

»In der Tat haben wir einige Tools hier im Haus selbst programmiert und ich kann behaupten …«

»Das alles sicher ist? Ja, glaube ich ihnen! Aber, wie hoch ist die Kompression bei der Übertragung? Wie viel Wert wurde auf die Verschlüsselung der Protokolle gelegt? Wie viel Bandbreite braucht die Übertragung? Ich wette, die meisten Komponenten sind aus irgendwelchen Baukästen entliehen. Gängige Praxis, gegen die in aller Regel auch überhaupt nichts zu sagen ist. In der Tat verwenden auch wir für einige Produkte diese Vorgehensweise, aber nicht für ein Programm mit solch sensiblen Daten!«

Die Pause war beabsichtigt. Perry wollte wissen, ob da wieder ein kluger Spruch kommen würde. Doch nein, die Männer blieben still.

»So. Nun kommt unser Programm. Wir haben jedes einzelne Element selbst programmiert und gönnen uns nur den Luxus, eine bereits bestehende Grafik-Engine samt Physik-Simulation zu benutzen. Diese ist jedoch quelloffen und wurde von meinem Kollegen Waldemar auf Schwachstellen hin geprüft. Alles Andere ist gänzliche Eigenleistung und das mit extrem hoher Optimierung. In der Tat wäre es sogar theoretisch möglich, unsere Software über ein 56K-Modem flüssig zu betreiben, selbst wenn eine Vielzahl an virtuellen Mitarbeitern im Raum sind und aufwendige Präsentationen gezeigt werden! Der Grad der verlustfreien Komprimierung dürfte derzeit von keinem anderen Programm erreicht werden! Ausserdem erheben wir höchsten Wert auf Ressourcen-Schonung! Sie können davon ausgehen, der im Speicher befindliche Code des Programms ist das absolute Minimum, welches für die Lauffähigkeit nötig ist. Nicht ein einzelnes Bit wird verschwendet und sie werden sich vorstellen können, was dieser Umstand in Zusammenhang mit der heutigen Rechnerleistung zu bedeuten hat!«

»Okay Herr, wie auch immer. Das klingt alles natürlich gut und würde auch bedeuten, dass ihre Software unserer Lösung zumindest technisch überlegen ist. Aber, wir haben sehr schnelles Internet und verfügen über Computer, die technisch absolut auf der Höhe sind. Ihr Vortrag mag eine kleinen Firma entsprechen, die nicht so viel Geld in Hardware investieren können. Mich persönlich überzeugen sie damit nicht!«

Perry ging direkt zu dem Mann und stellte sich neben ihn.

»Ich bin beeindruckt! Sie sind dazu in der Lage, für alles eine für sie passende Antwort zu geben. Ein echtes Talent, wenn sie mich fragen. Es disqualifiziert sie jedoch in meinen Augen, über unser Produkt wirklich entscheiden zu können.«

Der Mann stand auf. Markus kannte ihn schon länger und wusste, wirklich körperlich wurde er eigentlich nie. Doch in dem Moment war er sich nicht ganz sicher, ob der nicht Perry gleich eine scheuern würde.

»Was fällt ihnen ein so mit mir zu sprechen? Ich habe es nicht bis hier in den Vorstand gebracht, weil mir ein Rotzlöffel wie sie was vom roten Pferd erzählt hat! Ich bin …«

»Eingebildet, ignorant, voreingenommen und oberflächlich!«

Markus sah, wie sein Kollege die Faust ballte. Auch Donald hatte es gesehen und wollte seinem Freund schon zu Hilfe eilen, doch sprach der Mann nur.

»Wie können sie so etwas behaupten?«

Perry blieb überraschend gelassen.

»Ganz einfach! Sie denken, weil sie hier im Vorstand sitzen, sind sie etwas besonderes. Doch war es Markus, der den Laden aufgebaut hat! Ich für meinen Teil bin Chef meiner eigenen Firma, die monatlich bei fast keinen Ausgaben recht hohe Gewinne einfährt. Sie sind ignorant, weil sie unsere Software schon ablehnen, bevor sie diese überhaupt in Aktion erlebt haben und voreingenommen weil sie denken, sie haben etwas was funktioniert, alles andere ist unnötig. Die Oberflächlichkeit haben sie ja schon zum Ausdruck gebracht. Wir würden aussehen, wie in den Altkleidersack gefallen. Nun, einen Anzug kann sich jeder kaufen und anziehen. Dafür muss man nichts können. Es sagt aber nichts über die Person aus! Können sie anhand meiner Kleidung etwas sagen, welche Fähigkeiten ich habe? Wissen sie um den Code, welcher hinter unserer Software steckt? Haben sie sich überhaupt die Mühe gemacht, meine Leistung zu bewerten? Nein! Sie haben nach meinem Outfit geurteilt! Dann sagen sie doch mal, was sagt meine Kleidung über mein Wissensstand aus? Mit welcher Programmiersprache haben wir die Software entwickelt? Wie heisst die Grafik-Engine? Wie übertragen wir Daten? Welche Verschlüsslung setzen wir ein? Oder beantworten sie mir eine andere Frage. Wäre unsere Software besser, wenn wir jetzt hier in teuren Anzügen sitzen würden? Stellen sie sich doch mal eine banale Frage. Mit was würden sie schlussendlich arbeiten? Mit unseren Produkt, oder unserer Kleidung?»

Markus war verblüfft. Perry war ja ein echtes Tier!

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